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Deutsche oder französische Philosophie


Zu Deleuzes und Guattaris 1000 Plateaus fällt mir Hesses Glasperlenspiel ein als Kritik des philosophischen Tuns schlechthin.
Je länger ich mich mit Philosophie beschäftigte, desto mehr leuchtet mir der Aphorismus Davilas ein, Philosophie sei ein Genre der Literatur. Empören kann dieses Verdikt nur jene, welche die Literatur geringschätzen. Was leistet sie, was ist ihr Zweck? Literatur stiftet Theorien, die bedeutend, nicht wahr sein müssen. Sie zieht sich zusammen in der Philosophie, welche sich erneut zusammenzieht in den Wissenschaften: der Erweisung sowie Anwendung von wahren und dem Verwerfen widerlegter Theorien.
Wittgenstein ist kein Philosoph, sondern ein Meta-Philosoph: er betrachtet die Formung und das Schicksal von "Literaturen", darunter Philosophien und deren Übergänge sowie Verhältnisse zu den Wissenschaften. Diese Meta-Philosophie hat keine eigenen Inhalte, ist kein Schiedsgericht, sondern ermöglicht eine Palette oder Übersicht u. a. des philosophischen Angebotes, dem keine Grenzen gezogen werden.
Deleuzes und Guattaris "Literatur" favorisiert die Nomaden. Wenn sie eine Pflanze bemühen, was Philosophen öfters tun, um ihren Vormarsch zu versinnbildlichen, ziehen sie das Gestrüpp dem Baume vor, der das Denken der deutschen Rundumerklärung überkront.
Die Deutschen brauchten eine ordentlichere Philosophie, weil ihnen das Chaos mehr eingeschrieben ist als anderen Völkern infolge einer geographisch herausfordernderen Lage sowie mehr wechselhaften Wetters. Vergleicht man Europa mit eine Wohnung, leben die Deutschen auf dem Flur. Kein anderes Land dieser Welt von ähnlicher Größe hat mehr Nachbarn, mehr Durchgangsverkehr, ist auch rein genetisch vielfältiger zusammengesetzt - steht näher am Nervenzusammenbruch - als die Deutschen.
Das ungesunde deutsche Wetter hat lange das Entstehen robuster Regierungsformen hintertrieben. Nicht wenige deutsche Kaiser starben im Kindbett, während vergleichsweise in Frankreich stabile Dynastien heranwuchsen und den französischen Staat auf festere Beine stellten. In Deutschland gibt es noch nicht mal eine nennenswerte Aristokratie.
Wer als Franzose dem Sein etwas hinzudichten möchte, das ihm nicht eingeboren ist, wird daher immer auf der Hut nach etwas Unordentlichem sein, umgekehrt in Deutschland, wo die Erfahrung und das Talent leben, dem Chaos zu begegnen.
Man könnte andererseits finden: Wenn sich die Deutschen auf etwas besinnen, das ihnen vertraut ist, dann das Chaos, weswegen ihrem Geist auch Romantik entsprang, die Aufklärung aber dem französischen, dessen gründliche Verstandesmäßigkeit auch einen Deleuze oder Guattari befängt, indem sie bei allem Nomadentum auf einer rationalen Basis - des dialektischen Materialismus - beharren.