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Heraklit

Ein Philosoph, den ich so ganz wie gar nicht verstehe und, obwohl eigentlich anderes dran wäre, im Kopf herumwälze.

Hier der sagenhafte 50te Satz seiner Fragmente: „Habt ihr nicht mich, sondern mein Wort vernommen, ist es weise zuzugestehen, dass alles eins ist.“

Deutung 1: Indem wir sprechen, macht alles Sinn.

Deutung 2: Wenn ich rede, sage ich dies und das: Worte. Indem du sie aber vernimmst, sei nicht mir, Heraklit, hörig, sondern der Regel, welcher ich - sprechend - folge, wie du's eben zu tun in der Lage wärst. Ihrer Anmut gemäß wirst du inne, dass es etwas Denkendes gibt, das hellwach in Worten vorgeht und, verkörpert im Sein, sie erfüllt damit, dass jedes einzelne und ihm gegenüber die Dinge miteinander verbunden sind.

Deutung 3: Die Fassung hat keine Gestalt, aber verleiht sie.

DIE LIEBE, DIE DEM ZEUGUNGSWUNDER ENTGEGENFLIEGT, IST VOM WAHNSINN BERÜHRT

. . . das Sein der endlichen Dinge als solches ist, den Keim des Vergehens als ihr Insichsein zu haben; die Stunde ihrer Geburt ist die Stunde ihres Todes. - HEGEL Logik

Dionysos: Sinnlichkeit und Grausamkeit. Die Vergänglichkeit könnte ausgelegt werden als Genuß der zeugenden und zerstörenden Kraft, als beständige Schöpfung. - NIETZSCHE Wille zur Macht

Seit Aristoteles ist ja sogar ein vom Menschen gewöhnlich Wort, daß ohne einen Zusatz von Wahnsinn keiner etwas Großes vollbringe. Wir möchten statt dessen sagen: ohne eine beständige Sollizitation zum Wahnsinn, der nur überwunden werden, nie ganz fehlen darf. . . jener sich selbst zerreißende Wahnsinn, noch jetzt das Innerste aller Dinge, und nur beherrscht und gleichsam zugut gesprochen durch das Licht eines höheren Verstandes . . . die eigentliche Kraft der Natur und aller ihrer Hervorbringungen«. - SCHELLING Die Weltalter

ALLES GLEICH

Die Regisseurin Barbara Rohm sattelt auf den letzten Metoo-Erfolg einem Ruf nach mehr Gerechtigkeit: öffentliche Mittel müssen, was Film/TV betrifft, weniger nach historischen oder inhaltlichen, sondern nach statistischen Gesichtspunkten verteilt werden - nicht der vorhergehende Erfolg der Antragstellenden oder die Qualität eines Projektes sollen entscheiden, sondern ebenso ihre Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe, die gemäß ihrem Anteil an der Bevölkerung bedacht werden muss.
Erst mal geht es um die Gruppen der Frauen/Männer. Lässt sich aber weiter differenzieren. Das Verfassungsgericht hat gerade die Bundesregierung ermahnt, weitere Geschlechter zu bestimmen - man kann auch nach Hautfarben unterscheiden (Cis-Deutsche mit Subsahara-Wurzeln) usf. Die Debatte eskaliert gerade in den USA.
Hinzu kommt, dass die Genderforschung die geschlechtliche Identität vom Körper gelöst und zur Privatsache gemacht hat: eine Person ist immer das, wozu sie sich selber erklärt im Hinblick auf ihr Geschlecht.
Eine Verschärfung der Diskussion bis zu ihrem effektiven Zusammenbruch hat in den USA die Ausdehnung der Identitätssouveränität auf die Rasse zur Folge gehabt. Kann ich authentisch selbst bestimmen, dieser oder jener ethn. Gruppe anzugehören, oder legt das meine Geburt fest? (In Deutschland reklamierte da etwa mancher Philosemit gerne den Status des Juden, auch wenn er christlich getauft war.)
Zugrunde liegt die Auffassung, alle Menschen seien gleich, für Christen sind sie das bereits im Mutterleib, für deren Nachkömmlinge, nachdem sie einmal geboren wurden. Zwar ist der unmittelbare Glaube an Gott großteils abhanden gekommen, aber das Gleichheitsgebot vor ihm hält stand.
Wie kommen dann trotzdem Unterschiede zustande in Hinsicht auf Rang, Einkommen, Macht usf.? Durch Betrug und Gewohnheiten infolge desselben. Wenn eine Partei sich der anderen überlegen zeigt, hat sie dies verdient allein durch ihren Verstoß gegen das Gleichheitsgebot und abgelistet dem Entgegenkommen der ihr so Unterlegenen.
Die Verlierer und Opfer dieser Masche haben deswegen als Gewinner in punkto Gleichheit, da reicht ihnen niemand das Wasser, ein Recht auf Wiedergutmachung, eigentlich sogar die Krone.
"Im Grunde weiß jeder Mensch recht wohl", argumentiert Nietzsche dagegen, "dass er nur einmal, als ein Unikum, auf der Welt ist und dass kein noch so seltsamer Zufall zum zweiten Mal ein so wunderlich buntes Mancherlei zum Einerlei, wie er es ist, zusammenschütteln wird: Er weiß es, aber verbirgt es wie ein böses Gewissen — weshalb?" Woanders fügt er erklärend hinzu: "Bei den allermeisten ist es Bequemlichkeit, Trägheit, kurz jener Hang zur Faulheit . . . die Menschen sind noch fauler als furchtsam und fürchten gerade am meisten die Beschwerden, welche ihnen eine unbedingte Ehrlichkeit und Nacktheit aufbürden würde."
Also nicht kraft Angehörigkeit oder Gleichheit fände ein Mensch zu sich und dem, was zählt, sondern allein durch Innewerdung und Entwicklung seiner Voraussetzungen, sich ungleich zu machen. Die Gleichheit würde, so gesehen, höchstens die Startrampe bilden - ein Zustand, von dem es sich zu entfernen gilt.

Nietzsche zum Thema Wahrheit

Überzeugungen sind gefährlichere Feinde der Wahrheit als Lügen.

Das Leben kein Argument. – Wir haben uns eine Welt zurechtgemacht, in der wir leben können – mit der Annahme von Körpern, Linien, Flächen, Ursachen und Wirkungen, Bewegung und Ruhe, Gestalt und Inhalt: ohne diese Glaubensartikel hielte es jetzt keiner aus zu leben! Aber damit sind sie noch nichts Bewiesenes. Das Leben ist kein Argument; unter den Bedingungen des Lebens könnte der Irrtum sein.


Wahrheit ist die Art von Irrthum, ohne welche eine bestimmte Art von lebendigen Wesen nicht leben könnte. Der Werth für das Leben entscheidet zuletzt. Es ist unwahrscheinlich, daß unser »Erkennen« weiter reichen sollte, als es knapp zur Erhaltung des Lebens ausreicht.


Man hat jeden Schrittbreit Wahrheit sich abringen müssen, man hat fast alles dagegen preisgeben müssen, woran sonst das Herz, woran unsre Liebe, unser Vertrauen zum Leben hängt. Es bedarf Größe der Seele dazu: der Dienst der Wahrheit ist der härteste Dienst.


Die Behauptung, daß die Wahrheit da sei und daß es ein Ende habe mit der Unwissenheit und dem Irrthum, ist eine der größten Verführungen, die es giebt. Gesetzt, sie wird geglaubt, so ist damit der Wille zur Prüfung, Forschung, Vorsicht, Versuchung lahm gelegt: er kann selbst als frevelhaft, nämlich alsZweifel an der Wahrheit gelten ... Die »Wahrheit« ist folglich verhängnißvoller als der Irrthum und die Unwissenheit, weil sie die Kräfte unterbindet, mit denen an der Aufklärung und Erkenntniß gearbeitet wird. Der Affekt der Faulheit nimmt jetzt Partei für die »Wahrheit« – (»Denken ist eine Noth, ein Elend!«); insgleichen die Ordnung, die Regel, das Glück des Besitzes, der Stolz der Weisheit, – die Eitelkeit in summa: – es ist bequemer zu gehorchen, als zu prüfen; es ist schmeichelhafter, zu denken »ich habe die Wahrheit«, als um sich herum nur Dunkel zu sehn... vor Allem: es beruhigt, es giebt Vertrauen, es erleichtert das Leben, – es »verbessert« den Charakter, insofern es das Mißtrauen verringert. Der »Frieden der Seele«, die »Ruhe des Gewissens«: alles Erfindungen, die nur unter der Voraussetzung möglich sind, daß die Wahrheit da ist. – »An ihren Früchten sollt ihr sie erkennen« ... Die »Wahrheit« ist Wahrheit, denn sie macht die Menschen besser... Der Proceß setzt sich fort: alles Gute, allen Erfolg, der »Wahrheit« auf's Conto zu setzen.


Die Schlange, welche sich nicht häuten kann, geht zugrunde. Ebenso die Geister, welche man verhindert, ihre Meinungen zu wechseln; sie hören auf, Geist zu sein.


Nie etwas zurückhalten oder dir verschweigen, was gegen deinen Gedanken gedacht werden kann! Gelobe es dir! Es gehört zur ersten Redlichkeit des Denkens. Du mußt jeden Tag auch deinen Feldzug gegen dich selber führen. Ein Sieg und eine eroberte Schanze sind nicht mehr deine Angelegenheit, sondern die der Wahrheit, – aber auch deine Niederlage ist nicht mehr deine Angelegenheit!

Dionysos

Den Griechen war deshalb das geschlechtliche Symbol das ehrwürdige Symbol an sich, der eigentliche Tiefsinn innerhalb der ganzen antiken Frömmigkeit. Alles einzelne im Akte der Zeugung, der Schwangerschaft, der Geburt erweckte die höchsten und feierlichsten Gefühle. In der Mysterienlehre ist der Schmerz heilig gesprochen: die »Wehen der Gebärerin« heiligen den Schmerz überhaupt, – alles Werden und Wachsen, alles Zukunft-Verbürgende bedingt den Schmerz... Damit es die ewige Lust des Schaffens gibt, damit der Wille zum Leben sich ewig selbst bejaht, muß es auch ewig die »Qual der Gebärerin« geben... Dies alles bedeutet das Wort Dionysos . . . NIETZSCHE

Nietzsches philosophisches Programm

Mein neuer Weg zum »Ja«. – Philosophie, wie ich sie bisher verstanden und gelebt habe, ist das freiwillige Aufsuchen auch der verabscheuten und verruchten Seiten des Daseins. Aus der langen Erfahrung, welche mir eine solche Wanderung durch Eis und Wüste gab, lernte ich Alles, was bisher philosophirt hat, anders ansehn: – die verborgene Geschichte der Philosophie, die Psychologie ihrer großen Namen kam für mich an's Licht. »Wie viel Wahrheit erträgt, wie viel Wahrheit wagt ein Geist?« – dies wurde für mich der eigentliche Werthmesser. Der Irrthum ist eine Feigheit... jede Errungenschaft der Erkenntniß folgt aus dem Muth, aus der Härte gegen sich, aus der Sauberkeit gegen sich... Eine solche Experimental-Philosophie, wie ich sie lebe, nimmt versuchsweise selbst die Möglichkeiten des grundsätzlichsten Nihilismus vorweg: ohne daß damit gesagt wäre, daß sie bei einer Negation, beim Nein, bei einem Willen zum Nein stehen bliebe. Sie will vielmehr bis zum Umgekehrten hindurch – bis zu einem dionysischen Ja-sagen zur Welt, wie sie ist, ohne Abzug, Ausnahme und Auswahl –, sie will den ewigen Kreislauf: – dieselben Dinge, dieselbe Logik und Unlogik der Verknotung. Höchster Zustand, den ein Philosoph erreichen kann: dionysisch zum Dasein stehn –: meine Formel dafür ist amor fati.

NIETZSCHES ETAPPEN ZUR ÜBERWINDUNG DES NIHILISMUS

Nackt hatte ich einst Beide gesehn, den grössten Menschen und den kleinsten Menschen: allzuähnlich einander, allzumenschlich auch den Grössten noch! Von da an sind alle meine Schriften Angelhaken: vielleicht verstehe ich mich so gut als jemand auf Angeln? ... Wenn Nichts sich fing, so liegt die Schuld nicht an mir. Die Fische fehlten . Wir aber wollen die werden, die wir sind, — die Neuen, die Einmaligen, die Unvergleichbaren, die Sich-selber-Gesetzgebenden, die Sich-selber-Schaffenden! Im Grunde weiß jeder Mensch recht wohl, dass er nur einmal, als ein Unikum, auf der Welt ist und dass kein noch so seltsamer Zufall zum zweiten Mal ein so wunderlich buntes Mancherlei zum Einerlei, wie er es ist, zusammenschütteln wird: Er weiß es, aber verbirgt es wie ein böses Gewissen — weshalb? Bei den allermeisten ist es Bequemlichkeit, Trägheit, kurz jener Hang zur Faulheit . . . die Menschen sind noch fauler als furchtsam und fürchten gerade am meisten die Beschwerden, welche ihnen eine unbedingte Ehrlichkeit und Nacktheit aufbürden würde. Manche leben in Scheu und Demut vor ihrem Ideale und möchten es verleugnen: sie fürchten ihr höheres Selbst, weil es, wenn es redet, anspruchsvoll redet. Die junge Seele sehe auf das Leben zurück mit der Frage: was hast du bis jetzt wahrhaftig geliebt, was hat deine Seele hinangezogen, was hat sie beherrscht und zugleich beglückt? Stelle dir die Reihe dieser verehrten Gegenstände vor dir auf, und vielleicht ergeben sie dir, durch ihr Wesen und ihre Folge, ein Gesetz, das Grundgesetz deines eigentlichen Selbst. . . denn dein wahres Wesen liegt nicht tief verborgen in dir, sondern unermeßlich hoch über dir, oder wenigstens über dem, was du gewöhnlich als dein Ich nimmst. Im Schmerz ist soviel Weisheit wie in der Lust . . . dass er weh tut, ist kein Argument gegen ihn, es ist sein Wesen. Wie? Das letzte Ziel der Wissenschaft sei, dem Menschen möglichst viel Lust und möglichst wenig Unlust zu schaffen? Wie, wenn nun Lust und Unlust so mit einem Stricke zusammengeknüpft wären, daß, wer möglichst viel von der einen haben will, auch möglichst viel von der andern haben muß – daß, wer das »Himmelhoch-Jauchzen« lernen will, sich auch für das »Zum-Tode-betrübt« bereit halten muß? . . . darum muß ich erst tiefer hinab, als ich jemals stieg: tiefer hinab in den Schmerz, als ich jemals stieg, bis hinein in seine schwärzeste Flut! So will es mein Schicksal . . . Woher kommen die höchsten Berge? so fragte ich einst. Da lernte ich, daß sie aus dem Meere kommen. Dies Zeugnis ist in ihr Gestein geschrieben und in die Wände ihrer Gipfel. Aus dem Tiefsten muß das Höchste zu seiner Höhe kommen. Ich schätze die Macht eines Willens darnach, wie viel von Widerstand, Schmerz, Tortur er aushält und sich zum Vortheil umzuwandeln weiß. Wer wird etwas Großes erreichen, wenn er nicht die Kraft und den Willen in sich fühlt, große Schmerzen zuzufügen? Solchen Menschen, welche mich Etwas angehn, wünsche ich Leiden, Verlassenheit, Krankheit, Mißhandlung, Entwürdigung, – ich wünsche, daß ihnen die tiefe Selbstverachtung, die Marter des Mißtrauens gegen sich, das Elend des Überwundenen nicht unbekannt bleibt: ich habe kein Mitleid mit ihnen, weil ich ihnen das Einzige wünsche, was heute beweisen kann, ob einer Werth hat oder nicht, – daß er Stand hält.