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Künstliche Intelligenz

War gestern mit normalen Smartphone-Nutzern unterwegs. Hab' vorsichtshalber auch mein eigenes dabei gehabt, das ich sonst ja kaum bruache.
Nach meiner Beobachtung wird das Gerät inzwischen immer mehr zum Teil des Körpers, ohne dessen Gegenwart dieser vor allem bei jungen Frauen nicht mehr vollständig zu funktionieren scheint. (Sie würden wahrscheinlich "sehr weit" gehen, um wieder in den Besitz ihres vorenthaltenen Smartphones zu kommen.)
Ein Teil der Gestik des Smartphones pflegt sich gerade in die menschlichen Bewegungen, indem sie berechenbarer werden. Gehört das zur "Delle", die S. Jobs ins Universum machen wollte: das menschliche Mienenspiel aufzulösen in ein Archiv von Emotikons?
Dass man sich von der Öffentlichkeit durch Ohrhörer abkapselt, ging ja bereits los mit dem Walkman. In Gegenwart von Smartphones scheint es inzwischen wohlgelitten, so etwas mitten im Gespräch zu tun. Spontane Worte sind einfach nicht künstlich intelligent genug.

Wider die Identität

EHRGEIZ IST DER TOD DES DENKENS . . .

. . . denn er pocht auf das Ich und dessen dessen Besitztümer: Theorien, Vorstellungen, Träume, Urteile, Wissensstücke - Inbegriff von Identität.

Ist aber Identität nicht ein Trugbild?

Klar, zwei Steine z. B. können nicht identisch sein, sonst wär' es einer. Dass aber ein Ding mit sich selbst identisch sein soll, ist eine merkwürdige Vorstellung, denn es wird dadurch etwas verdoppelt: im Ding ruht seine "Dingheit": ein Stein hätt' Identität kraft seiner "Steinheit". Es wird auf diese Weise ein Schattenreich vergegenwärtigt, in dem alles, was es gibt, noch einmal existiert: als Rücksicht, zu deren Bestimmung man freilich auf nichts weiter zeigen kann als auf den Gegenstand, welcher sie deutet. Die "Apfelhaftigkeit des Apfels", seine "Identität", wird erklärt, indem man auf einen Apfel zeigt - der sie "interpertiert". Die "Essenz meines Ichs", meine "Identität", wird erklärt, indem ich auf seine Inhalte zeige - welche es deuten.

Solcherart wird nur weiter gar nichts gesagt. Man kann mit anderen Worten gleich bei der Sache bleiben und deren "Prinzip" vergessen. Mein Ich hat - infolgedessen - keine Identität: nichts "Grundsätzliches", das es erst zu dem macht, was es unabänderlich wäre. Das denkende, vorstellende, Subjekt gibt es nicht.

Damit ist nicht gemeint, mir ginge nichts durch den Kopf, mein Gemüt ist im Gegenteil voller Gedanken und Vorstellungen. Nur vergegenwärtigen diese nichts Prinzipielles. Meine Bewusstseinsinhalte "identifizieren" mich nicht, machen mich nicht unverwechselbar. (Aus religiöser Sicht wären sie nicht mal etwas wert, sondern blockierten die "Selbstlosigkeit" - z. B. im Buddhismus oder kenotischen Christentum, nach dem der Herr auf seine göttlichen Attribute verzichtete bei der Menschwerdung als Vorbild fürs Leerwerden des menschlichen Ichs, an dessen Stelle lauter Gnade treten soll).

"Du sollst aber alles erfahren: sowohl der Unverborgenheit, der gut gerundeten, nicht zitterndes Herz, als auch der Sterblichen Dafürhalten, dem fehlt das Vertrauenkönnen auf Unverborgenes", schreibt Parmenides in den Fragmenten. "Dafürhalten" meint wohl das Ich - dagegen das "Unverborgene", welches weder fest steht noch Identität leidet, sondern das Leben unmittelbar macht durch Ernstnehmen seiner mehrenden Möglichkeiten. Nietzsche, den diese Vorstellung anstieß, schreckte innerlich noch zurück vor der jähen Abwesenheit des Prinzipiellen und sein Romantizismus hinderte ihn daran, die besinnliche Fülle des Alltags, seiner Äußerungen und Entwicklungen als hinreichende Antwort auf den "Tod Gottes" oder der Metaphysik zu würdigen.

Statt auf seinem Ich zu beharren, philosophiert man lieber selbstlos ohne Bestimmungen bzw. Rücksichten wie Familie, Stamm, Nation, Klasse, Volk, Beruf, Geschlecht oder Eigentum. Selbst die Vorstellung des geistigen Eigentums löst sich in diesem Falle auf.

Was ist es - wenn man nun absieht von der "Fiktion des ICH", die nichts bedeutet - dann eigentlich noch, was den "befreiten" Menschen ausmacht?

Der Mensch ist sein Körper, zusammengefasst im Gesicht, dieses wiederum zusammengefasst in den Augen. Haltung, Gang, Stimme und Kleidung künden von seiner Seele. Sowie die Tatsache, dass er spricht.

Körper und Geist im "identitären" Sinn schließen einander aus und können nie zusammenfinden. Eine von ihrer Erscheinung her ausdrucksstarke Gestalt jedoch sowie ein sprechendes Bewusstsein können sich in einem Körper vereinen. Und dieser ist der Mensch: sein Wesen und seine Möglichkeiten.

WILLE nach Wittgenstein



Über sein ganzes Spätwerk hinweg liegt Wittgenstein daran, näher zu bestimmen, was das menschliche Wollen ausmacht. Er stellt dafür keine Theorie auf, sondern folgt der Verwendung des Wortes "Wille" in unserer Alltagssprache.

Es kann einen Leser rasend machen, dass er infolgedessen niemals einmal sagt: "Der Wille ist ... " oder "Wollen besteht in . . ."

Aber Wittgenstein will, dass man nicht nur liest, sondern selber denkt und - wie er - nie damit fertig wird, was seinen Textes etwas sehr Frustrierendes zugleich Beschwingendes (Nomadisches) gibt.

Wie sehen solche sprachlichen Untersuchungen aus?

Etwa: Man kann "wollen" mit "wünschen" vergleichen und feststellen, worin sich die beiden unterscheiden. "Wollen" lässt sich z. B. versuchen, es kann mit anderen Worten scheitern - es wäre andererseits absurd zu versuchen, sich etwas zu wünschen, denn Wünschen gelingt immer = wenn nicht wahr wurde, was man sich wünschte, durchstreicht das nicht den Inhalt des Wünschens, der infolgedessen das Wollen verursachen kann, da er unabhängig von ihm besteht (nur was voneinander unabhängig ist, kann in eine kausale Beziehung treten) usf.

Was den Willen angeht, können wir als Menschen unwillkürlich handeln ("Das hab' ich nicht gewollt!") oder willentlich. Der Unterschied hier aber liegt nicht in einem besonderen Bestandteil des Wollens, der hinzukommt oder wegfällt, um ein Tun un/willkürlich zu machen. Eine Handlung ist willentlich nicht dadurch, dass sie etwas ausführt, das sich - wie z. B. ein Wunsch oder eine Absicht - unabhängig von ihr beschreiben liesse. Es ist möglich, dass mein Körper meinen Willen ignoriert, z. B. zu schwach ist, um auszuführen, wozu ich mich anschickte, nicht aber kann es mir mißlingen, etwas zu wollen.

Was unterscheidet folglich das Willkürliche vom Unwillkürlichen?

Wie immer bei Wittgenstein ist es schließlich der Kontext.

Um zu wollen, muss man sich in einer Umgebung befinden, in welcher Befehle empfangen und verweigert werden können sowie die Entscheidung möglich ist, etwas zu tun oder zu lassen, für dessen Folgen man zur Verantwortung gezogen, also schuldig werden kann. Von ungewollten Bewegungen lassen sich die gewollten in dieser Umgebung durch eine gewisse "Wackeligkeit" unterscheiden, die ein Merkmal des freien Willens ist.

Wittgenstein ist von allen Philosophen, die ich kenne, der immanenteste, weswegen seine Klärung auf den ersten Blick merkwürdig witzlos wirken. Aber sie haben es, wenn man die Methode nur durchhält, in sich.

Kann es z. B. neben der "künstlichen Intelligenz" auch einen "künstlichen Willen" geben = können Roboter sinnvoll handeln? Möglich wäre das nur, wenn sie Befehle verweigen und für die Folgen ihres Handelns zur Verantwortung gezogen werden könnten.

Was aber wäre ein "schuldiger Roboter"?

Was ist überhaupt - "Schuld"? Die Erwartung des Eintritts von etwas Unangenehmem, würde ich mal sagen.

Aber kann ein Roboter befürchten, dass ihm etwas angetan (z. B. sein Körper beeinträchtigt, verstümmelt oder weggesperrt) wird?

Wenn es absurd ist, dass Roboter schuldig würden - ist es dann nicht auch absurd anzunehmen, sie könnten "denken"?

So ungefähr gehen die philosophischen Untersuchungen Wittgensteins: als Betrachtung der Regeln unserer Sprache, ihrer Grammatik ("Grammatik" heißt immer, dass man etwas tun kann).

Die Sprache ist für Wittgenstein unhintergehbar, in ihr ruht alles, was sinnvoll und bedeutend ist. Deswegen reicht es, der Sprache - ihrer Grammatik - nachzugehen, um jederlei Verwirrung auf den Grund zu kommen.

Aber ist Sprache nicht nur Vergenwärtigung oder Vehikel für etwas Grundlegendeses? Kann man vermittels Sprache nicht lügen, Täuschungen stiften und stabilisieren?

Wittgenstein weist darauf hin, dass man Lügen erst lernen muss, Lügen ist eine Weiterung, ein Anbau der Sprache. Nur wer eine ganze Sprache beherrscht, kann jemand anderen, der sie ebenso beherrscht, belügen oder täuschen. Die Sicherheit geht jeder Skepsis voraus, da letztere sonst keinen Inhalt hätte.

Was macht die aber Sprache aus, die allem zugrunde liegt? Wittgenstein verwendet dafür das Sinnbild des "Sprachspiels". Sprachspiele sind die Bausteine, etwas Elementareres gibt es nicht. Sie bestehen - letztlich - in spontanen Reaktionen von Menschen aufeinander, wurzeln also in Natur und Wirklichkeit, welche sie nicht deuten, sondern ausmachen. Es ist nicht möglich, dass die Sprache solcherart auf täuschenden Fundamenten ruht oder irgendetwas unberücksichtigt liesse. Es sei denn man würde den Satz für sinnvoll halten, ein Baum könnte deswegen nichts Eigentliches sein, weil es auch Flüsse oder Berge gäbe, die eben keine Bäume seien und diesen dadurch suspekt machten.

DER UNTERSCHIED ZWISCHEN KÜNSTLICHER INTELLIGENZ UND ECHTEM DENKEN

Wenn man einen Menschen, der einen sportlich aussticht, kaputtmachen will, muss man ihn nach seiner Technik fragen. Er wird anfangen, diese zu erklären - und anschließend kaum mehr in der Lage sein, mühelos das fertig zu bringen, mit dem er sich hervortat. - Deswegen z. B. wird die sog. "künstliche Intelligenz" sich niemals mit dem gesunden Menschenverstand messen können. Die Vorstellung der "künstlichen Intelligenz" beruht auf einer fixen Idee, welche die Informatiker in genau dem Moment - Mitte der 50er Jahre - von den Philosophen übernahmen, als sie von diesen aufgegeben worden war. Diese Idee ist folgende: Damit Menschen sich in der Welt zurechtfinden, müssen sie eine Vergenwärtigung derselben "im Kopf" haben, welche ihr Handeln informiert. Diese "mentalen Zustände" braucht man dann nur in der Zentraleinheit eines Rechners nachbilden, indem man sie mit Zeichen besetzt, deren Verbindungen "wie ein Gehirn die Welt darstellen", um Einfluss nehmen zu können. Menschen wie Rechner sind aus dieser Sicht Behälter von Vergegenwärtigungen, aus deren Bewegung und Anordnung sich ableiten lässt, was in der Welt vor sich geht und zu tun ist. Die Philosophie hat jedoch - angestoßen von Heidegger und Wittgenstein, vollendet von Merleau-Ponty - längst nachgewiesen, dass menschliches Begreifen unmittelbaren Handlungen entspricht, die unser Leib in der Welt vollführt, welche für ihn gedacht ist. Dabei verwenden wir zunächst keine Regeln und stellen uns auch nichts vor, sondern tuen spontan, was angebracht ist. Die "Vergegenwärtigung" besteht in Sätzen körperlicher Antworten, mit einer Umgebung fertig und darin immer besser zu werden. Ohne das Imstandesein unseres Körpers begreifen wir nichts, andernfalls wäre es möglich, ein Kind nur mit einer VR-Brille zum Menschen heranzubilden. Die Unfähigkeit moderner Actionfilme, uns zu fesseln, verdankt sich der Körperlosigkeit ihrer Spezialeffekte. (Crouching Tiger, Hidden Dragon war die letzte lebendige Produktion im Actiongenre wegen der überragenden körperlichen Leistung der Stunttruppe.) Bedeutung entsteht durch das Wirken von Wesen mit Körpern wie unseren voller Ansporn, Lust und Neugier, welche die Welt herausfinden ohne leitende Vergegenwärtigungen von nicht unmittelbar Gegebenem in Bewusstsein oder Gehirn. Ohne Leib sind die Zentraleinheit und ihre Algorithmen blind, nichts sagend. Daher auch die Banalität der virtuellen Netzwelt, welche die Beschränkung des Leibs und seiner lokalen Umstände abgeschüttelt hat, jeden mit jedem "in Verbindung" bringend, jedoch ein schwereloses Gefühl der Abwesenheit von Sinn und Orientierung hinterlässt. Neulich las ich, Cuaróns GRAVITY wäre überschätzt. Ein Film, der dem Körper wieder Gewicht verleiht, ihn mit der Schwerkraft verbindet, der Quelle unseres Handelns und daher Bewusstseins. Es dürfte also noch dauern, bis der Groschen fällt und wir zurückfinden zu dem, was wirklich zählt.