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Die Krankheit zum Tode

Es gibt Texte, von denen ich erst mal kein Wort verstehe, trotzdem aber sicher bin, dass sie etwas Wichtiges sagen, z. B. hier Kierkegaards Einstieg zu "Die Krankheit zum Tode"
Zitat:
Der Mensch ist Geist. Aber was ist Geist? Geist ist das Selbst. Aber was ist das Selbst? Das Selbst ist ein Verhältnis, das sich zu sich selbst verhält, oder ist das am Verhältnis, dass das Verhältnis sich zu sich selbst verhält; das Selbst ist nicht das Verhältnis, sondern dass das Verhältnis sich zu sich selbst verhält. Der Mensch ist eine Synthese von Unendlichkeit und Endlichkeit, von Zeitlichem und Ewigem, von Freiheit und Notwendigkeit, kurz, eine Synthese. Eine Synthese ist ein Verhältnis zwischen zweien. So betrachtet ist der Mensch noch kein Selbst.
Im Verhältnis zwischen zweien ist das Verhältnis das Dritte als negative Einheit, und die zwei verhalten sich zum Verhältnis und im Verhältnis zum Verhältnis; so ist unter der Bestimmung Seele das Verhältnis zwischen Seele und Leib ein Verhältnis. Verhält sich dagegen das Verhältnis zu sich selbst, dann ist dieses Verhältnis das positive Dritte, und dies ist das Selbst. Ein solches Verhältnis, das sich zu sich selbst verhält, ein Selbst, muss entweder sich selbst gesetzt haben oder durch ein anderes gesetzt sein.
Ist das Verhältnis, das sich zu sich selbst verhält, durch ein anderes gesetzt, dann ist das Verhältnis wahrscheinlich das Dritte, aber dieses Verhältnis, das Dritte, ist dann doch wiederum ein Verhältnis, verhält sich zu dem, was da das ganze Verhältnis gesetzt hat.
Ende des Zitats
Der Text fasziniert mich, ich will ihn hier einmal deuten. Es geht darin, denke ich mal, darum, dass wir als Menschen fast nie können, wie wir wollen. Man nimmt sich etwas vor - mit bestem Willen und Gewissen - und dann bricht in einem würdelosen Moment doch wieder alles zusammen (und man hat 3 Kilo zugenommen, die Kinder geschlagen, 5 Stunden im Internet gesurft statt zu arbeiten u. ä. m.). Kierkegaard sieht das offenbar nicht psychologisch, sondern aus Sicht des Theologen: Gott hat die Welt und in ihr den Menschen so gemacht, dass dieser unmöglich allein damit fertig werden kann, indem Tierisches und Geistiges sich in ihm unrettbar vermengen.
In diesem Sinn übersetze ich obige Passage ins Gemeindeutsche:
Ganz Mensch wird nur, wer ein Selbst entwickelt. Aber was ist das: Selbst?
Das Selbst besteht im Merken auf ein Gemenge; es interessiert sich für dessen Vermischtheit. Das Selbst besteht nicht in dem Gemenge, sondern lässt sich auf dieses ein. Der Mensch ist eine Mischung von Engel und Teufel, von Höchstem und Niederigstem. In dieser Mischung vermengt sich zweierlei. So gemischt, ist der Mensch noch kein Selbst.
Denn die Mischung allein zerfällt "negativ" in ihre Bestandteile, z. B. Seele und Leib; "positiv" wird sie erst im Hinblick auf ein Selbst, welches ihr nachgeht. Als Selbst entsteht es entweder spontan oder ist Frucht fremden Wollens.
Verdankt es sich einer fremden, also übermenschlichen Quelle, macht diese etwas gut, indem sie als Selbst eine missliche Lage vermittelt.

Unsere Seele ist unser Leib

Verstümmele einen Menschen ganz & gar schneide ihm Arme & Beine Nase & Ohren ab & dann sieh was von seinem Selbstrespekt & von seiner Würde übrig bleibt & wieweit seine Begriffe von solchen Dingen dann noch die selben sind. Wir ahnen gar nicht, wie diese Begriffe von dem Gewöhnlichen, normalen  Z u s t an d  unseres Körpers abhängen. Was wird aus ihnen wenn wir mit einem Ring durch unsere Zungen & gefesselt an einer Leine geführt werden? Wie viel bleibt dann noch von einem Menschen in ihm übrig? In welchem Zustand versinkt so ein Mensch? Wir wissen nicht, daß wir auf einem hohen schmalen Felsen stehen, & um uns Abgrunde, in denen alles ganz anders ausschaut. (Ludwig Wittgenstein DENKBEWEGUNGEN S. 67 f.)

Burka

Ich bin nicht dafür, hier allzuviel zu verbieten, würde nur die Erkennbarkeit des menschlichen Gesichtes im öffentlichen Raum vorschreiben. Alles andere muss man zulassen, wenn man selber in Ruhe gelassen werden möchte.
Die demonstrative Körperverhüllung als Geste, ausgeübt von egal welcher Religion, möchte ich mit anderen Worten nicht verbieten, schätze aber auch nicht deren Anmut (oder "Ab"mut), da ich die Zurückdrängung des Leibes für eine Form der Verzweiflung, sogar "Sünde" halte, mit der jede Person, die sie begeht, uns als Menschheit herabzieht und für die sie - in einem höherem Sinn - auch einmal "zur Rechenschaft gezogen" werden könnte.
Ich habe mit anderen Worten, so absurd es sich auf Anhieb anhört, "religiöse" Bedenken. Wie ich ja etwa auch glaube, dass die Magersucht keine psychologische Wurzeln hat, sondern versucht, eine existentielle Herausforderung durch Ausblendung des Leibes zu lösen.
Worin besteht die "existentielle Herausforderung"? In der Unversöhnlichkeit von "Körper und Geist", der Tatsache, dass wir als Menschen ausgelegt sind aufs Immerwährende und doch sterben müssen.
Die asketische Antwort auf dieses Dilemma besteht in der Behauptung: "Ich habe keinen Körper" (kann deswegen also auch nicht sterben). Viele Religionen und Philosophien ermutigen diesen Weg der "Entwerdung", der aber nicht gelingen kann und, wo er Erfolg zu haben scheint, etwas Unmenschliches (Skelettartiges) versprüht.
Von hier kommen meine Bedenken, auch mein Widerwille gegen jede Handhabung des Körpers, die ihn nicht herausstellen, sondern zum Verschwinden bringen soll. Es liegt - für mich - darin etwas Unanständiges, Vermessenes, vom "Willen des Schöpfers" Abgefallenes.
Beheben kann man dergleichen "Sünde" nicht durch Regeln mit Strafen menschlicher Gesetzgebung, sondern nur durch die Geduld, die nötig ist gegenüber seelisch Erkrankten, Verständnis für ihr Dilemma und ein vorsichtiges Zeigen des Ausweges.

Glaube anderen . . .

. . . immer, was andere über sich, nie jedoch, was sie über dich sagen.

Religion


Mein Alter bringt es mit sich, dass der ein oder andere von uns inzwischen stirbt oder sich dem Tode nähert. "Die Einschläge rücken näher", wie einer meiner Freunde neulich sagte.
Es kommt angesichts solcher Situationen zu keinen religiösen Erweckungserlebnissen, aber man beschäftigt sich doch mit anderen Fragen als denen der unmittelbaren Zukunft im Getriebe der Welt.
Žižek, Haupt-Ideen-Geber der Moderne, bezieht sich ja z. B. deutlich auf den heiligen Paulus, nicht kritisch, sondern als Deutungsquelle. In Wirklichkeit ist das gesamte Menschenbild der Moderne ein vollkommen christliches, was wir dann merken, wenn andere Religionen und deren Bäuche wie im Moment an uns herantreten.
Das besondere des Christentums, das es von allen anderen Religionen unterscheidet, ist die Menschwerdung Gottes. Worin sich die Vorstellung ausdrückt, menschliches Sein hinge weniger vom Zufall ab, sondern ist die Bedingung für das Gutsein höchsten Wollens. Gott wird aufgefasst wie ein Künstler, und der Mensch bleibt aufgerufen, es ihm gleichzutun: sich - Kraft seines Lebens und dessen Produkten - wahr zu machen, kundzutun.
Die Kirche war deswegen immer eine Förderin der Künste, und viele auch modernste Künstler haben einen Bezug oder stiften eine quasi-religiöse Anmut (man denke etwa - neulich wieder - an Christo oder die geheimnisvollen Land-Stellen Walter de Marias, des womöglich bedeutendsten Künstlers der Neuzeit).
Der christliche Grundgedanke, dass jeder Mensch zählt, musste sich unentwegt den gesellschaftlichen Entwicklungen anpassen - aus dem römischen Reich ins Mittelalter bis an die Schwelle der Neuzeit. Das Christentum von Bauern hatte andere Formen und Bedürfnisse als das von Stadtbewohnern. Man versteht z. B. Figuren wie den hl. Franziskus, einen Veteranen blutiger Kriege, der einen Hippie-Orden gründete als Auffangbecken für romantische Intellektuelle (darunter viele Juristen) besser, wenn man die darin liegende Antwort auf ein "neues Computerzeitalter" nachvollzieht, von dem die Menschen sich seinerzeit - Halt suchend - überwältigt fühlten angesichts überall hochschießender Städte.
Das Christentum trat offiziell zurück mit dem Beginn der Neuzeit. Diese unterscheidet sich von den Epochen davor, indem ihr Betrieb mehr Sonnenlicht verbraucht als täglich eingefangen wird, also auf fossilen Brennstoffen beruht. Da deren zufällige Besitzer von den Nachfahren der Christen für die Herausgabe Geld erhielten, anstatt ihre Schätze abgenommen zu bekommen, wurden sie reich - dadurch stilbildend, auch in religiöser Hinsicht, was eine "Renaissance" des Islam zur Folge hatte.
Der Islam nimmt die Vorstellung der Christen, Gott sei auf Erden sterblich gewesen, zurück und orndet den Menschen wieder Gott unter, der nicht durch ihn ist oder sich in ihm wiedererkennt, sondern unbeteiligter bleibt als noch der dreifaltige Gott der Christen.
Man kann heute, wie gesagt, kaum mehr über einen christlichen Gott reden, mehr über eine "Gottesfunktion" oder ein quasi-religiöses Verständnis, wie es in den "Menschenrechten" zum Ausdruck kommt. Trotzdem ist die religiöse Anmut, der Wunsch nach Bekenntnis und deren Sinnbildern nicht verschwunden, lebt z. B. in Tätowierungen, Burkinis u. ä. m.
Interessant wäre, ob es dem heiligen Geist der Christen nochmal gelingt, einen überzeugenden Vormarsch zu entwickeln, der es uns heute leichter macht, "zu leben und zu sterben", ein große Geste mit globalen Symbolen (Gebäuden) und Praktiken.
Deren Parallele wäre ev. eine Kunst, die den Globus zum Gegenstand hat - "Welt"-Kunst eben, aber nicht in Gestalt "ethnischer Vielfalt" (Tourismus . . .), sondern beispielsweise Öltanker, Bohrtürme, Facebook und deren Weiterungen gegenständlich oder imaginativ verarbeitend.

Kierkegaard: Krankheit zum Tode

"Der Mensch ist Geist", beginnt das Buch. "Aber was ist Geist? Geist ist das Selbst. Aber was ist das Selbst? Das Selbst ist ein Verhältnis, das sich zu sich selbst verhält, oder ist das am Verhältnis, dass das Verhältnis sich zu sich selbst verhält; das Selbst ist nicht das Verhältnis, sondern, dass das Verhältnis sich zu sich selbst verhält."
Mensch zu sein, lese ich die vertrickste Passage, besteht mithin darin, Stellung zu nehmen, und zwar zu einem "Verhältnis". Von was?
Text geht dazu weiter:
"Der Mensch ist eine Synthese von Unendlichkeit und Endlichkeit, von Zeitlichem und Ewigem, von Freiheit und Notwendigkeit, kurz eine Synthese."
Der Mensch, lese ich dies, ist eine "Synthese" - also nicht (nur) Ansammlung, sondern Verschmelzung - von Momenten, die sich ausschließen: Unendlichkeit | Endlichkeit - Zeitlichkeit | Ewigkeit - Freiheit | Notwendigkeit - klassisch: Körper | Seele. Das "Verhältnis" dieser Momente bildet ein Spannungsfeld namens "Mensch".
Text geht weiter:
"Eine Synthese ist ein Verhältnis zwischen zweien. So betrachtet ist der Mensch noch kein Selbst."
Dem Menschsein (im Gegensatz etwa zum Tiersein) zugrunde liegt mit anderen Worten besagte Zerrissenheit, die - irgendwie - zusammengebracht werden muss: durch "Selbst"werdung.
Das Selbst ist uns also nicht in die Wiege gelegt, sondern besteht in einer Beziehung, die jeder von uns erst entwickeln muss: zu dem Spannungsfeld, das sie oder ihn von vornherein ausmacht.
Kierkegaard, der seine Bücher selbst verlegte, weswegen kein Lektor auf Verständlichkeit achten konnte, fasst den Witz seines Gedankens dann zusammen, wie folgt:
"Im Verhältnis zwischen zweien ist das Verhältnis das Dritte als negative Einheit, und die zwei verhalten sich zum Verhältnis und im Verhältnis zum Verhältnis; so ist unter der Bestimmung Seele das Verhältnis zwischen Seele und Leib ein Verhältnis. Verhält sich dagegen das Verhältnis zu sich selbst, dann ist dieses Verhältnis das positive Dritte, und dies ist das Selbst."
Das einen Menschen ausmachende Spannungsfeld, lese ich hier, kann gehandhabt werden
* entweder selbstlos ("negativ") durch die Ausblendung eines seiner Momente
* oder selbstbewusst ("positiv") durch Nachgehen und Innewerdung der menschlichen Lage.
Worauf es Kierkegaard bei dieser Betrachtung ankommt, wird womöglich, spekuliere ich, klarer, wenn man die antiken mit den christlichen Selbstwerdungs-Rezepten vergleicht.
Die griechischen oder römischen Glück-Schulen empfahlen, wenn ich mich recht erinnere, ein Selbst "negativ" zu schaffen - durch Ausblendung eines der das Menschsein begründenden Konflikt-Momente: entweder des Körpers (Platonismus - heute die "künstlichen Intelligenzler") oder der Seele (Epikureismus u. ä. m. - heute die "fun"-Apostel).
Die Christen dagegen ließen Gott zum Menschen werden mit der Implikation - dadurch - des Gegenteils und werten die Spannung des Menschseins infolgedessen auf, um so das meiste herauszuholen.

„Der tiefe Aspekt entschlüpft leicht.“ Wittgenstein | Philosophische Untersuchungen 387

Wittgenstein Philosophische Untersuchungen 129: „Die für uns wichtigsten Aspekte der Dinge sind durch ihre Einfachheit und Alltäglichkeit verborgen. (Man kann es nicht bemerken, - weil man es immer vor Augen hat.) Die eigentlichen Grundlagen seiner Forschung fallen dem Menschen gar nicht auf. Es sei denn, daß ihm dies einmal aufgefallen ist. - Und das heißt: das, was, einmal gesehen, das Auffallendste und Stärkste ist, fällt uns nicht auf.“

Ich glaube, Wittgenstein will damit andeuten, dass das Wesentliche nicht im Einfachen, z.B. Atomen oder Nervenzellen, besteht, aus denen dann alles weitere zusammengesetzt ist und erklärt werden kann. Der "für uns wichtigste Aspekt" entspringt vielmehr dem Selbstverständlichen, liegt in dessen Gegenwart, ohne jedoch durch diese (ihre Zerlegung) erklärt werden zu können - wie z. B. Form und Wuchs eines Baums nicht durch seinen Samen erklärt werden können. Durch ihre Selbstverständlichkeit / Alltäglichkeit vor uns verborgen sind nach Wittgenstein, nehme ich an, SPRACHE und DENKEN (die „eigentlichen Grundlagen seiner Forschung“, die dem Menschen gar nicht auffallen).  Denn alles Wissenschaftliche (Atom-, Hirnforschung, Wettervorhersagen…) kann nur begrifflich verfasst sein = kraft der Fähigkeit zu sprechen und zu denken. Die von vornherein zur Verfügung stehen muss. Verwendet für die Wissenschaft, bindet die Sprache, was sie "anpackt", in Erklärungszusammenhänge.  Damit erklärt sie aber nie sich selbst; das ginge auch nur, wenn sie erklärungsbedürftig wäre = (noch) nicht imstande etwas zu erklären. Daher müssen Sprache/Denken von vornherein funktionieren. Das fällt uns, nach Wittgenstein, nicht auf, und ist doch die Grundlage von allem. Indem die Sprache "unerklärlich" ist, ist es auch das Denken - und funktioniert trotzdem...

Wittgenstein "Die Krankheit einer Zeit . . ."

Nichts kommt mir weniger wahrscheinlich vor, als dass ein Wissenschaftler oder Mathematiker, der mich liest, dadurch in seiner Arbeitsweise ernstlich beeinflusst werden sollte. (Insofern sind meine Warnungen wie die Plakate an den Kartenschaltern englische Bahnhöfe "Is your Journey really necessary?" Als ob einer, der das liest, sich sagen würde "On second thought, no".) Hier muss man mit ganz anderen Geschützen kommen, als ich imstande bin, ins Feld zu führen. Am eheste könnte ich noch dadurch eine Wirkung erzielen, dass, vor allem, auf meine Anregung hin eine grosse Menge Dreck geschrieben wird, & dass vielleicht dieser die Anregung zu etwas Gutem gibt. Ich dürfte immer nur auf die aller indirekteste Wirkung hoffen. (Vermischte Bemerkungen 70-71)
Ich glaube meine Stellung zur Philosophie dadurch zusammengefasst zu haben, indem ich sagte: Philosophie dürfte man eigentlich nur dichten. Daraus muss sich, so scheint mir, ergeben, wie weit mein Denken der Gegenwart, Zukunft oder der Vergangenheit angehört. Denn ich habe mich damit auch als einen bekannt, der nicht ganz kann, was er zu können wünscht. (Vermischte Bemerkungen 28)
In der Großstadt-Zivilisation kann sich der Geist nur in einen Winkel drücken. Dabei ist er aber nicht etwa atavistisch und überflüssig, sondern er schwebt über der Asche der Kultur als ewiger Zeuge – quasi als Rächer Gottes. Als erwarte er eine neue Verkörperung (in einer neuen Kultur). (Nachlass)
Wenn ich nicht ein richtigeres Denken, sondern eine neue Gedankenbewegung lehren will, so ist mein Zweck eine ‘Umwertung von Werten’ und ich komme auf Nietzsche, sowie auch dadurch, dass meiner Ansicht nach, der Philosoph ein Dichter sein sollen . . . (Nachlass)
Ich habe einmal, & vielleicht mit Recht, gesagt: Aus der früheren Kultur wird ein Trümmerhaufen & am Schluß ein Aschehaufen werden; aber es werden Geiste über der Asche schweben. (Vermischt Bemerkungen 5)
Die Krankheit einer Zeit heilt sich durch eine Veränderung in der Lebensweise der Menschen und die Krankheit der philosophischen Probleme konnte nur durch eine veränderte Denkweise und Lebensweise geheilt werden, nicht durch eine Medizin die ein einzelner erfand. Denke, daß der Gebrauch des Wagens gewisse Krankheiten hervorruft und begünstigt und die Menschheit von dieser Krankheit geplagt wird, bis sie sich, aus irgendwelchen Ursachen, als Resultat irgendeiner Entwickelung, das Fahren wieder abgewöhnt. (BGM S. 132)
Man kann einen alten Stil gleichsam in einer neuen Sprache wiedergeben; ihn sozusagen neuaufführen in einer Weise, die unserer Zeit gemäß ist. Man ist dann eigentlich nur reproduktiv. Das habe ich beim Bauen getan. - Was ich meine, ist aber nicht ein neues Zurechstutzen eines alten Stils. Man nimmt nicht die alten Formen & richtet sie dem neuen Gemack entsprechend her. Sondern man spricht, vielleicht unbewußt, wirklich die alte Sprache, spricht sie aber in einer Art und Weise, die der neuern Welt, darum aber nicht notwendigerweise ihrem Geschmacke, angehört. (Vermischte Bemerkungen 69)

Flüchtlinge oder Einwanderer

20 Prozent aller Einwohner Deutschlands wurden in einem anderen Land geboren. In der Schweiz liegt der Anteil an Personen mit Migrationshintergrund bei 35 Prozent. Obwohl man diese Menschen dringend braucht, herrschen Ängste in der Bevölkerung. Die Medien fokussieren vielfach auf Konflikte und berichten oft negativ über die Flüchtlingssituation. Das muss anders werden. Zwar ist es aus soziologischer Sicht ganz natürlich, dass eine Gruppe versucht, sich zusammenzuhalten, indem sie sich von anderen Gruppen abgrenzt. Dennoch müsste in den Medien um mehr Verständnis für Flüchtlinge geworben werden.

An der Lösung der Flüchtlingssituation zu arbeiten, ist nicht nur wirtschaftlich sinnvoll, sondern auch moralisch geboten: Am Syrienkonflikt etwa trägt Deutschland eine Mitschuld, weil es Waffen an Rebellen verkauft und versucht hat, Waffenlieferungen Russlands an Assad zu unterbinden. Man stelle sich vor, die knapp 22.000 Rechtsextremen in Deutschland würden von einem anderen Staat mit Kriegswaffen versorgt. Das würde unser Land katastrophal destabilisieren.

In Deutschland ist Sicherheit eine Selbstverständlichkeit, doch in anderen Ländern wie in Pakistan während der 1990er-Jahre oder in Syrien 2015 musste man täglich um sein Leben fürchten. Gestern noch gingen die Menschen einem Beruf nach und kümmerten sich um ihre Familien, heute sind sie Flüchtlinge und nur mit dem Notwendigsten am Leib unterwegs. Sie haben Torturen erlitten, sind nervlich am Ende, haben Angst. Und im neuen Land protestieren Menschen gegen sie, ihnen schlägt offene Feindseligkeit entgegen. Wenn die deutsche Bevölkerung die Hintergründe erfährt und vielleicht auch über Dokumentationen im Fernsehen die Mentalität und Kultur der Immigranten kennenlernt, fällt es ihr unter Umständen leichter, diese willkommen zu heißen und irgendwann als Teil Deutschlands zu sehen. Dies setzt voraus, dass man offen auf die Immigranten zugeht, auch folgende Eckpfeiler nachvollzieht:


• Zur Finanzierung des Rentensystems bräuchte Deutschland jährlich eine Nettozuwanderung von 600 000 Menschen


• Flüchtlinge müssen die Chance bekommen, sich etwas zu erarbeiten, denn wer nichts zu verlieren hat, wird weiterziehen, oder er wird kriminell.


• Deutschkurse sind die wichtigste Integrationsmaßnahme.


• Das Schulsystem gehört reformiert: Nötig sind Integrationsklassen und die Gesamtschule.( Mit zehn Jahren sollten sich Kinder nicht entscheiden müssen, welchen Bildungsweg sie einschlagen – und dennoch wird genau das in diesem Alter bei uns festgelegt. Das britische System wäre ev. besser: Bis zur neunten Stufe besuchen alle Kinder die gleiche Schulform, erst danach trennen sich die Wege.)


• Auch sollte es möglich sein, das Abitur mit nur zwei bis drei Prüfungsfächern abzulegen, sodass etwa ein Mathegenie wie in den USA oder Großbritannien trotz schlechter Deutschnote studieren darf und nicht, wie bei uns. zum Taxifahren verdammt ist.


• Das deutsche Steuersystem schreckt viele potenzielle Unternehmer ab – eine verlässliche Steuerquote von 25 Prozent für Einzelunternehmen würde das Chaos beseitigen. (Unser derzeitige Güterrecht trägt zu seher dazu bei, dass sich mancher zweimal überlegt, ob er heiraten soll: Im Fall einer Scheidung muss der eine Partner dem anderen die Hälfte seines Vermögens überlassen, auch wenn dieses in Immobilien oder Maschinen gebunden ist. Dazu treiben Unterhaltsansprüche nicht selten eine der Parteien in den Ruin. Daher sollte z. B. bei Immobilien nach einer Trennung jeder das erhalten, was er zur Finanzierung beigetragen hat.)


• Flüchtlinge sollten Broschüren über Berufe, Ausbildungswege und Arbeitgeber erhalten.


• Für die Einbürgerung sollte ein Integrationskurs Pflicht sein. (Was spricht denn dagegen, die Staatsbürgerschaft an Faktoren wie Integrationswille, Deutschkenntnisse und aber auch daran zu koppeln, wie viel jemand für den Staat selbst leistet, etwa indem er regelmäßig Steuern zahlt?)


• Jeder Immigrant sollte sich einem Religionstest unterziehen müssen, damit Fanatiker erkannt werden. (Damit religiöse Fanatiker draußen bleiben, sollte sich jeder Immigrant an der Grenze einem Religionstest unter Beisein eines Psychologen unterziehen müssen. Darüber hinaus müsste die Vorratsdatenspeicherung wiedereingeführt werden. Um die Zusammenarbeit zwischen den europäischen Polizeibehörden zu ermöglichen, sollten diese eine gemeinsame zentrale Datenbank unterhalten, in der bekannte Fundamentalisten registriert sind.)


• Die Frage „Woher kommst du ursprünglich?“ sollte man sich generell verkneifen, da sie gut integrierten Einwanderern das Gefühl gibt, nicht dazuzugehören.