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Heldenreise

Gestern auf einem Drehbuch-Seminar klagte mir eine Teilnehmerin ihr Leid mit der "Heldenreise", zu welcher ihr Betreuer sie allemal zwinge, sie aber wolle etwas ganz anderes erzählen. Der Gedanken der Heldenreise wird klarer, wenn man sich vor Augen hält, dass es drei Gruppen oder Hauptgenres des Fiktionalen gibt: Liebesgeschichten, dann solche, in denen die Hauptperson sich wandelt, und solche, in denen sie es nicht tut. Im letzen Fall haben wir es mit Action, Abenteuer oder Krimi zu tun, mit allem, was die Amis sinnbildlich "Cop-Story" nennen. Die Heldenreise dagegen beschreibt eine Umformung der Hauptfigur. Setzt man die Persönlichkeit einem Ufer gleich, das einen Flusslauf reguliert, beschreibt die Heldenreise eine Verschiebung des Laufes unter dem Einfluss der Strömung. Oder die Persönlichkeit ist ein Floss - auf dem Meer: die Heldenreise beschreibt, wie dieses, um nicht von den Wogen zerstört zu werden, umgebaut wird. Die Planken müssen dazu auseinander genommen und neu zusammengesetzt werden, wobei man ertrinken kann (etwa navigiert gerade auch die EU, wenn nicht die Weltordnung in diese Phase). Die populärste Version hiervon ist der Thriller. Nicht jede Geschichte ist deswegen aber ein Heldenreise. Genausogut kann von Zusammenhalt und Behauptung des Flosses erzählt werden, welches die Wellen bezwingt (Odysseus) oder von ihnen verschlungen wird (Macbeth). Anstatt einem Autor oder einer Autorin gleich Zurückgebliebenheit im Fall des Absehens vom Heldenreise zu unterstellen, sollte man erst mal ermitteln, ob sie vom Festhalten erzählen wollen oder vom Loslassen.