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WITTGENSTEINS ZENTRALER GEDANKE


Ludwig Wittgenstein kommt es darauf an, zwei hartnäckige Täuschungen aufzudecken:

1 - dass Bewusstsein, Gefühle, Empfindungen, Träume, Absichten, Gedanken usf. eine Art inneren Raum bevölkern, dessen Inhalt nur mittelbar - durch Zeichen oder "Benehmen" - verständlich wird

2 - dass Sprache wesentlich im Benennen von Dingen besteht

Wittgenstein zeigt, wie diese zwei Irrtümer sich seit 2.000 Jahren gegenseitig hochschaukeln und uns restlos verblenden.

Indem wir Sprache falsch beurteilen als die Vergabe von Namen, glauben wir, dass psychologische Begriffe wir Wille, Gedanke, Traum, Absicht, Meinung usf. „etwas“ bezeichnen im vorgestellten inneren Raum unseres Gemütes, dessen Einrichtung dem äußeren gleicht, nur dass sie ausschließlich von seinem Besitzer gesehen werden kann.

Das Bild ist so verführerisch, dass wir diesen "Raum" bereits vor uns sehen, indem er - auch als Täuschung - erwähnt wird. Aber es gibt ihn nicht.

Indem Sprache falsch beurteilt wird als Vergabe von Namen, kommen wir durcheinander im Hinblick auf den Vorgang der Benennung. Wie können zufällige Lautzusammenstellungen diesen und keinen anderen Gegenstand bedeuten? Wir bilden uns dazu einen Akt des Meinens ein, den wir vollbringen, und der sich inneren, nur ihrem Besitzer zugänglichen Vorgängen verdankt, welche gewissermaßen hinaus in die Welt reichen können. Sprache wird so zu einem Aggregat innerer Taten des Meinens und Benennens. Eine absurde Konstruktion, die keiner näheren Überprüfung standhält.

Wittgenstein spürt jahrtausendealten Verstrickungen unserer Auffassungen von Bewusstsein und Bedeutung nach. Und entwickelt an ihrer Stelle eine gänzlich verschiedene Vision. Er besteht darauf, dass die Verbindung zwischen bloßen Worten und ihrer Bedeutung zustande kommt allein durch Gewohnheiten und wechselseitige Beeinflussungen lebender, verkörperter Wesen und sichtbar wird im Alltag und Tun solcher Wesen. Dies Tun übt seine Wirkung aus in der Sprache – in Form dessen, was bei Wittgenstein "Sprachspiele" heißt. Am Anfang steht nicht das Wort. Sondern die Tat. Dieser Auffassung entspringt eine völlig andere Sichtweise des Verhältnisses von Innen und Außen. Dass Gesprochenes in inneren Vorgängen wurzelt, erweist sich als Illusion, die verkennt, dass wir in erster Linie Mitmenschen sind, gesellschaftlich, bis zum bitteren Ende.

Zur Erhellung des Gemeinten bietet sich der Vergleich mit Geld an. Euro-Scheine sind nicht mehr als bedrucktes Papier. Woher beziehen sie ihren Wert? Bereits mit dieser Frage hat sich eine unbewiesene Vorstellung eingeschlichen: dass es sich bei "Wert" um die Eigenschaft eines Gegenstandes handeln muss.

Aber Geld ist nicht an sich etwas wert. Sein Wert besteht in seinem Gebrauch als z. B. Tauschmittel. Man tauscht es nicht, weil es wertvoll ist, sondern es hat einen Wert, weil wertvoll der Tausch ist. Der Geldwert liegt im Tauschen sowie in allen anderen Dinge, die man vermittels Geld ausüben kann.

Geld ist daher nicht nur bedrucktes Papier. Das wird es, wenn man von seinem Gebrauch absieht. Sein Wert besteht auch nicht in dem, was man für es bekommt, sondern darin, d a s s man es bekommt.

So die Bedeutung von Worten und Sätzen. An sich besagen sie nichts, haben keine Verbindung zu einem Sinn. Wir suchen daher nach etwas, das diesen zustande bringt, und kommen so auf „Ideen“, „Gedanken“ oder „Absichten“. Die Täuschung liegt in der Vorstellung, unsere Worte seien Namen für Gegenstände und andere verstünden uns, weil sie wüssten, auf was wir zeigen mit den Lauten oder Strichen, die wir anbringen. Die Worte selber sind beliebig, stellen wir uns vor, nicht aber, was sie meinen: die Gedanken. Deren Bedeutung liegt beschlossen in unserem Gemüt.

Aber das ist ein Irrtum.

So wie das, was man für Geld bekommt, dessen Wert nicht aufweist, entspringt die Bedeutung von Worten nicht seelischem Aufwand wie Gedanken oder Absichten, welchen sie vielmehr Inhalt erst verleiht. Zwar gibt es das, was man für Geld bekommt, und es gibt Seelisches, welches als solches aber nicht mit Worten verbunden ist noch die Verbindungen von etwas Äußerem mit Worten zustande bringt.

Hingegen s e h e n wir, wie Menschen Geld verwenden und Worte in all ihren Formen, wie sie kaufen und verkaufen, sprechen und zuhören. Nichts spielt sich dabei im Verborgenen ab. Nichts steht "hinter" all diesem Tun und Treiben. Der Wert - die Bedeutung - liegt in der Aktivität. Privates Geld, das nur seinem Besitzer selber zur Verfügung stünde, wäre so sinnlos wie ein Gemüt voller privater Gegebenheiten.

Hierzu eine Passage aus Wittgensteins Philosophischen Untersuchungen:

454. Wie kommt es, daß der Pfeil zeigt? Scheint er nicht schon etwas außerhalb seiner selbst in sich zu tragen? - »Nein, es ist nicht der tote Strich; nur das Psychische, die Bedeutung, kann dies.« - Das ist wahr und falsch. Der Pfeil zeigt nur in der Anwendung, die das Lebewesen von ihm macht.
Dieses Zeigen ist nicht ein Hokuspokus, welches nur die Seele vollziehen kann.

455. Wir wollen sagen: »Wenn wir meinen, so ist hier kein totes Bild (welcher Art immer), sondern es ist, als gingen wir auf jemand zu.« Wir gehen auf das Gemeinte zu.

456. »Wenn man meint, so meint man selber«; so bewegt man sich selber. Man stürmt selber vor und kann daher das Vorstürmen nicht auch beobachten. Gewiß nicht.

457. Ja; meinen ist, wie wenn man auf jemanden zugeht.

Der Pfeil steht hier für das Wort: 'Wie kommt es, dass er zeigt' = dass ein Wort Bedeutung hat?

"Nein", sagt der Gesprächspartner, "es ist nicht der tote Strich; nur das Psychische, die Bedeutung, kann dies." Womit er die Passivität des bloßen Zeichens oder Worts betont und annimmt, dessen Bedeutung entstünde durch etwas hinzukommend "Psychisches", welches - "meinend" - gewissermaßen die Hand ausstreckt nach dem Gegenstand oder Verlauf, den das Wort solcherart bezeichnet, die beiden verbindend.

Wittgenstein gibt seinem Gesprächspartner recht: meinen ist "Zugehen-auf", nur nicht, wie der Partner findet, im übertragenen Sinn des Zugehens auf Gemeintes, sondern wir wenden uns, indem wir meinen, nicht an unseren Willen, Absichten oder sonstwie inwendig Verfasstes, sondern unmittelbar an andere Menschen.

Meinen findet statt, indem wir uns umtun und auf eine Welt von Gegenständen und anderen Handelnden einwirken. Es sind solche griffigen Einsätze und nicht, was uns z. B. dabei durch den Kopf geht, welche bloße Worte verbinden mit ihrer Bedeutung und damit zum Leben erwecken.