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VOM WESEN DES INNENLEBENS



Die mich am meisten beschäftigende Satzfolge in Wittgensteins Philosophischen Untersuchungen ist 296-8: 

»Ja, aber es ist doch da ein Etwas, was meinen Ausruf des Schmerzes begleitet! Und um dessentwillen ich ihn mache. Und dieses Etwas ist das, was wichtig ist, - und schrecklich.« - Wem teilen wir das nur mit? Und bei welcher Gelegenheit?  - - Freilich, wenn das Wasser im Topf kocht, so steigt der Dampf aus dem Topf und auch das Bild des Dampfes aus dem Bild des Topfes. Aber wie, wenn man sagen wollte, im Bild des Topfes müsse auch etwas kochen? - - Daß wir so gerne sagen möchten »Das Wichtige ist  d a s« - indem wir für uns selbst auf die Empfindung deuten, - zeigt schon, wie sehr wir geneigt sind, etwas zu sagen, was keine Mitteilung ist. 

Worauf der Philosoph hier hinaus will, erhellt wohl, wenn man sich zwei Bilder eines dampfenden Topfes vorstellt, das eine aber ist an der Stelle, wo sich der Topf befindet, 100 Grad heiß, was man nicht sieht, aber fühlen könnte, wenn man es an dieser Stelle anfasst. 

Frage: Zeigen oder besagen die beiden Bilder infolge des Temperaturunterschiedes, wenn man sie vor sich hat, etwas Verschiedenes - oder dasselbe? 

Antwort: Für das, was sie signalisieren, ist es einerlei, ob der Topf in ihnen heiß ist oder nicht.

Die Temperatur des Topfes steht in Wittgensteins Beispiel, spekuliere ich, für Inwendiges oder "mentale Inhalte", der Dampf für deren Äußerung. Wenn ich z. B. sage: „Ich erinnere mich, dass ich heute in der Medina wahr“ oder „Ich denke, es dürfte bald regnen“, entsprächen diese Sätze dem Dampf auf dem Bild. Ihre Bedeutung enthalten sie dann nicht durch die „Temperatur“ (etwas „Inneres“), auf das sie sich beziehen. Man versteht sie, auch ohne dessen gewärtig zu sein (die Temperatur zu fühlen). 

„Innere Gegebenheiten“ sind daher witzlos im Hinblick auf den Inhalt mentaler Ausdrücke. Dieser muss sich etwas anderem verdanken. M.a.W.: "Schmerz" oder "Traum" oder "Gedanke" sind keine Namen = stehen für nichts ein, zeigen auf nichts, das sie beuten.

Wittgensteins Ad-absurdum-Führung der Vorstellung innerer Gegebenheiten gehört zu den für mich tiefsten Anstößen seiner Philosophie und wird in seinen umstürzlerischen Folgen, finde ich, noch so gut wie gar nicht nachvollzogen.