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Diskontinuität

Lücke oder Bruch bilden das weiter herrschende Dogma unserer Zeit, die sich dem Ende zuneigt. Was bedeutet "Bruch"? Dass es keine Verbindung gibt zwischen unserem Sein und dem unserer Eltern. Dass wir mit unseren Großeltern so wenige gemein haben wie mit irgendeiner anderen Epoche der Geschichte. "Bruch" ist der Hauptbegriff dieser Auffassung, um zu entschlüsseln, was es auf sich hat mit Kultur. Es gibt keinen roten Faden, kein durchgehendes Narrativ namens "abendländische Kultur", nur eine Anordnung unzusammenhängender historischer Erscheinungen. "Männlichkeit" und "Weiblichkeit" beispielsweise sind willkürliche Setzungen eines zufällig patriarchalischen Systems, nicht der Ausdruck von etwas dem Menschsein Innewohnenden. Nur durch die Zugänglichmachung neuer Theorien, was die Konstruktion von "Geschlecht" betrifft, finden wir aus der Tyrannei des Diktates. Die Aufgabe ist es, mit den neuen theoretischen Werkzeugen das Geschlecht zu dekonstruieren und uns danach in jener Weise neu zu bestimmen, die uns beliebt, frei von den Fesseln der Natur oder Geschichte. Da wir uns vollkommen selbst zu schaffen aufgegeben sind, liegt es nahe, eine solche Identität anzunehmen, die unsere Bedürfnisse am besten befriedigt. Wie die Menschen früher und immer waren, wird zum "Nicht-Problem". Der Fokus liegt auf jedweder frei erfundenen Identität und ihrem Schutz. Wie aber soll man jemand in eine so verfasste Gesellschaft integrieren? Das postulierte Ich ist ein "faustisches", die es zuwege bringenden Figuren gipfeln in einem soziopathischen Crescendo: Hamlet, Macbeth, Ahab, Holden Caufield, Michael Corleone - erträglicher noch als freundliche Tattergreise: Don Quichote. Warum sind Menschen, deren Persönlichkeit sich voll entfaltet hat, so unerträglich - für sich und andere?