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Deleuze

Gestern bin ich wieder mal in Gilles Deleuze getaucht, eine sehr ergiebiger Philosoph, der es sich und anderen unnötig schwer macht.
Ich habe früher mal Pierre Bourdieus Die Feinen Unterschiede gelesen und seitdem nie vergessen können. Bourdieu analysiert darin hauptsächlich die französische Gesellschaft, wie ich finde, als Weiterung des Hofes von Versailles, der Machtlosigkeit durch Etikette ersetzte. Auch die besten Franzosen sind infolgedessen ständig bedroht vom Gespenst gesellschaftlicher Bedeutungslosigkeit und zögern, sich zu sehr in die Karten schauen lassen. Bei den Intellektuellen zeigt sich das in einem verdrechselten Stil und der Neigung, Kollegen herunterzumachen, die man als Nicht-Franzose nicht so ernst nehmen darf, wenn man Gold schürfen will (z. B. Derrida vs. Levi-Strauss . . .).
Was mir den Zugang zu Deleuze außordentlich erschwerte, war seine ungewöhnlich heftige, von Ekel geprägte Kritik Wittgensteins im Abécédaire, welche mich lange dazu brachte, Deleuzes Philosophie als eine Alternative zu Wittgenstein zu lesen und sie mir dadurch komplett verschloss.
Weiter kommt man, finde ich, wenn man beiden denselben Vormarsch und Deluze unterstellt, dass er Wittgenstein nicht oder - wie Freud den Nietzsche - aufgehört hat zu lesen, da er zuviel Ähnlichkeit witterte.
Starke Parallelen zwischen den Denkern liegen für mich z. B. in dem unbedingten Materialismus, der Ununterscheidbarmachung von Innenwelt und Aussenwelt - dem fließenden Übergang vom Menschen zum Tier, zum Organischen und Anorganischen.
Der Unterschied - zwischen Deleuze und Wittgenstein - betrifft die Rolle des Philosophen, den Wittgenstein als beschreibend, Deleuze als schöperisch versteht. Deleuze sieht die Aufgabe des Philosophen m. a. W. darin, neue Weisen des Zusammenfassens oder Wiederholens zu erfinden, während Wittgenstein meint, solche träten ein ohne Proaktion des Philosophen, dessen Aufgabe dann darin bestehe, ihnen klärend nachzugehen. Wittgenstein ist mit anderen Worten kein Metaphysiker, was Deluze ausdrücklich für sich in Anspruch nimmt.
Imgrunde zeigen sie aber aufs selbe, nur dass Deluze meint, es erfunden zu haben, während Wittgenstein sagt, er habe es "beobachtet". Die Streitfrage dabei: ob unserere Gedanken spontan dem Gemüt oder einem intersubjektiven "Feld" entquellen. Deleuze redet in punkto auch von einer "Immanenzebene", reklamiert dieser gegenüber aber doch eine Art kartesianische Subjektivität (was, finde ich, absurd ist - aber vielleicht verstehe ich ihn auch falsch).
Interessant finde ich die von beiden Denkern nahegebrachte Einbettung des Menschen in die Materie oder "Schöpfung", die ihn auf eine Art "unsterblich" macht (wenn Materie unsterblich ist). Der Mensch ist aus dieser Sicht Episode eines dynamischen "Gebräus", welches das Universum ausmacht sowie unentwegt weiter aus- und umformt.
Es ist klar, dass der Mensch sich darin nicht halten kann, sondern wie die Dinosaurier eines Tages (wahrscheinlich sogar wieder durch einen Meteoriteneinschlag) verschwinden dürfte. Ohne dass dadurch freilich etwas zum Erliegen kommt. Dem man sich nur angeschlossen erleben muss, um Erlösung zu erfahren.
Diesen Anschluss erlebt Deleuze im "Mitmischen" als Erfinder neuer Seinsweisen, während Wittgenstein dem erstaunten Innewerden Vorrang einzuräumen scheint, welches antwortet und sich aufgehoben fühlt im Verstehen und von diesem geleiteten Handeln.