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Deleuze | Wittgenstein

Um zu sehen, wie nahe sich die Denker stehen, zitiere ich hier mal eine Stelle aus Wittgensteins ZETTEL:

"Keine Annahme scheint mir natürlicher, als daß dem Assoziieren oder Denken kein Prozeß im Gehirn zugeordnet ist; so zwar, daß es also unmöglich wäre, aus Gehirnprozessen Denkprozesse abzulesen. Ich meine das so: Wenn ich rede oder schreibe, so geht, nehme ich an, ein meinem gesprochenen oder geschriebenen Gedanken zugeordnetes System von Impulsen von meinem Gehirn aus. Aber warum sollte das System sich weiter in zentraler Richtung fortsetzen? Warum soll nicht sozusagen diese Ordnung aus dem Chaos entspringen? Der Fall wäre ähnlich dem - daß sich gewisse Pflanzenarten durch Samen vermehrten so daß ein Same immer dieselbe Pflanzenart erzeugt, von der er erzeugt wurde, - daß aber nichts in dem Samen der Pflanze, die aus ihm wird, entspricht; so daß es unmöglich ist, aus den Eigenschaften oder der Struktur des Samens auf die der Pflanze, die aus ihm wird, zu schließen, - daß man dies nur aus seiner Geschichte tun kann. So könnte also aus etwas ganz Amorphem ein Organismus sozusagen ursachelos werden; und es ist kein Grund, warum sich dies nicht mit unserem Gedanken, also mit unserem Reden oder Schreiben etc. wirklich so verhalten sollte. - Es ist also wohl möglich, dass gewisse psychologische Phänomene physiologisch nicht untersucht werden können, weil ihnen physiologisch nichts entspricht."

Für Deleuze liegt alles Erhebliche nicht in der Anordnung, sondern im Verlauf = unser Denken füllt keine Schema aus, sondern entwickelt sich wie der Baum aus einem Samen. Beider Beziehung kann man aus einem allein nicht ersehen, der Baum ist in dem Samen nicht verallgemeinert oder "vorgezeichnet", allein durch Untersuchung des Samens wäre nicht zu ersehen, was sich aus diesem entwickelt. So wie ein DNA-Strang kein Bild des Wesens enthält, das in ihm liegt. Es muss eine Umgebung hinzukommen, um das "Versprechen" wahr zu machen. Deleuze vergibt oder verwendet hier aufsehenerregende Namen: "organloser Körper" oder "Immanenzebene" - "Diesheit" usf. Wittgenstein sagt an solcher Stelle: "So könnte also aus etwas ganz Amorphem ein Organismus sozusagen ursachelos werden; und es ist kein Grund, warum sich dies nicht mit unserem Gedanken, also mit unserem Reden oder Schreiben etc. wirklich so verhalten sollte."

Damit gibt Deleuze sich nicht zufrieden, sondern unterstellt einen "organlosen Körper" - als Substrat oder Quelle gewissermaßen von "Diesheit". Also doch wieder eine Struktur? Die man entdecken kann? Z. B. mit Hilfe des Differential-Kalküls oder der Topologie?

Wittgenstein signalisiert, dass Worte wie "organloser Körper" viel Schaden anrichten können, indem sie die materiale Existenz von etwas vorgaukeln, das Materialität erst ermöglicht. Imgrunde will Deleuze dasselbe sagen: Dass, was sich einstellt, nicht der Wahrheit (dem Eingeschliffenen) entspringt, sondern dem Abweichen von derselben. Nur muss dieses, würde Wittgenstein wohl finden, namenlos bleiben, um nicht seiner Schöpferkraft verlustig zu gehen.

Oh je: der letzte Absatz ist unleserlich - mein Gedanke zu verworren. Es geht darum, wie etwas Neues in die Welt kommt. Dass es nicht dem Alten entspringen kann, sondern sich von diesem unterscheiden muss. Deleuze unterstellt eine Quelle des Neuen und gibt ihr verschiedene Namen; Wittgenstein "erschweigt" diese Quelle, da er Namen für etwas Altes (Versteinerndes) hält.