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Identität . . .


. . . ist bei näherer Betrachtung ein anderes Wort für Widerspruchsfreiheit: das Haupt-Anliegen der Mathematik und der griechischen, womöglich der Philosophie schlechthin: allein, wo nichts mehr gegeneinander steht, die Unterschiede verschwinden, herrscht restlose Klarheit. "Wir sind aufs Glatteis geraten" meint dagegen Ludwig Wittgenstein in seinen Philosophischen Untersuchungen (107), "wo die Reibung fehlt, also die Bedingungen in gewissem Sinne ideal sind, aber wir eben deshalb auch nicht gehen können. Wir wollen gehen; dann brauchen wir die Reibung. Zurück auf den rauhen Boden!" Wittgensteins Programm ist eine Kritik des in der Philosophie lauernden Wahnsinns, für den wir eines Tage "zur Rechenschaft gezogen werden" könnten. Wittgenstein setzt dermaßen tief an, dass man aus dem von ihm kritisierten Blickwinkel heraus dazu neigt, ihn - nicht sich selbst - für verrückt zu halten. Das Bestreben, welches er in seinen Beschreibungsketten ad absurdum führt, ist jenes nach "Identität" im Sinne von Widerspruchsfreiheit (selbst in der Mathematik . . .). Er diagnostiziert die Pathologie der "Gleichmacherei", welche alle Unterschiede einebnen, als unwesentlich wegstecken möchte. Er kritisiert damit vor allem den technischen Fortschritt. Wie das? Die Welt spielt sich ab in Raum und Zeit, welche qua Fortschritt sich immer mehr "gegen Null" bewegen: Wenn es zu Goethes Zeit noch viele Wochen dauerte, von Frankfurt nach Leipzig zu gelangen, schafft man dieselbe Strecke heute in wenigen Stunden. Die Städte nähern sich an, werden immer "identischer". Dasselbe trifft auf alles andere zu, welches dem Fortschritt unterliegt: Anähnelung der Völker, der Geschlechter, der Altersgruppen, Nahrungsmittel usf. Wir sind besessen vom Gedanken der Gleichheit. Das Ziel besteht in der Beseitigung jeglicher Spannung: dem Identischsein schlechthin. Dies auch in den die Moderne begleitenden spirituellen Techniken (Yoga, Meditation u. ä. m.), die den "Wahnsinn" in Vollendung vorwegnehmen. Was aber wäre die Alternative? Ich denke: die Welt als Geschichte, also Erzählung, sich abspielend im Spannungsfeld zwischen Anfang und Ende. Man glaubt dann, dass es mit allem ein Ende hat, sobald es gut ist, und hofft auf den Ausgang, nicht die Verdichtung des Seins.