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England . . .

Figuren wie Boris Johnson erinnern mich an den Kröterich in Kenneth Grahames fabelhaftem Kinderroman Der Wind in den Weisen. Gutmütig, exzentrisch, ohne die Befürchtung noch aus den tollkühnsten Abenteuern verwundet hervorzugehen. Der englische Staat hatte selten Grund, sich aktiv zu behaupten. Das Gemeinwesen ist daher liberal, räumt dem einzelnen weitgehende Rechte ein und vertraut darauf, dass die Ordnung sich ohne Einmischung von oben selbsttätig einstellt. Die Außenwelt dagegen erscheint als weiter Raum, in dem leichte Beute gemacht werden kann. Die schnelle Bewegung auf dem Wasser erlaubte es England, seine Kräfte nach Belieben dort zusammenzuziehen, wo sie gerade gebraucht wurden. Die hochmobile Feuerkraft des Schlachtschiffes gestattete die schärfste Bombardierung fremder Städte bei minimalen eigenen Verlusten. Von der Piraterie, die an der Wiege des modernen Englands steht, über Streifzüge mit Kanonenbooten bis zum Imperialismus erstreckte sich der Aktionsrahmen, der es ermöglichte, die Reichtümer der gesamten Welt an sich zu ziehen, die Machtzone über den ganzen Globus auszudehnen, ohne zugleich die politischen Verhältnisse im Inneren militarisieren zu müssen. England hat natürliche Grenzen und keine, die es - wie Europas Kontinentalmächte - immer wieder selbst ziehen musste. England ist auch nicht von gleichrangigen Nachbarn umgeben, kennt nicht den Kampf zwischen Abwehr und Expansion, den Zentralstaat mit stehendem Heer, staatlicher Finanzverwaltung und Bürokratie, deren Aufrechterhaltung einer permanenten Willensanstrengung bedarf. Das Land war deswegen nie auf fähige Politiker angewiesen. Die Früchte dieser Tradition besichtigen wir im Moment. Regierung wie Parlament müssten ein Format haben, um mit der Krise fertig zu werden, das in England nie nötig war und deswegen auch nicht vorhanden ist.