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Virtuelle Realität

Der misnomer schlechthin! Unsere Gegenwart verfügt über viel zuviel Energie | Material um "virtuell" sein zu können. Nur wer geringe Chancen hat, seine Ideen im dreidimensionalen Raum zu materialisieren, und daher in einer Welt der Konzepte, Entwürfe und Ideen verharrt, lebt und handelt "virtuell". Wie z. B. jene intelligenten Vorfahren, die "ums Lagefeuer" saßen und "Geschichten erzählten". Sie hatten kein anderes Mittel als die Sprache, um wahr werden zu lassen, was sie sich vorstellten = konnten es nicht in Filme, Bauten oder Waren umsetzen. Ihre naturale Umgebung oder kulturellen Artefakte waren gegenüber dem Reichtum der Vorstellung viel begrenzter, schlichter, als sie es gegenwärtig sind. Heute kann und muss alles gleich wirklich, greifbar sein oder werden. Die ständig sinkenden Kosten stofflicher Umsetzung ermöglichen die Verwirklichung selbst des simpelsten Einfalls, und kursorische Vorstellungen materialisieren sich augenblicklich zu Artefakten, die nur schwer wieder zu entfernen sind aus unseren Landschaften, Museen, Bibliotheken oder FB-Nachrichtenströmen, die sie verstopfen. Wir leben im nicht radikaler denkbaren Gegenteil einer virtuellen Welt. Überall versperren uns realisierte Vorstellungen den Blick, Geschmack, Distinktion, Konformität oder Protest signalisierend. Jede mentale Regung wird rücksichtslos - schon im Kindergarten - in materielle Gegenstände umgesetzt und erzeugt ein Übergewicht an physischen Artefakten, welches die Fähigkeit betäubt, sich rein etwas vorzustellen oder Eindrücke zu unterscheiden, die mit einer geringfügigen Mobilisierung von Stoffen einhergehen. Nur die mangelnde bzw. abhanden gekommene Ahnung vom wahren Wesen der Virtualität konnte dazu führen, dass unsere Wirklichkeit, die von härtester Materialität gekennzeichnet ist, uns "virtuell" vorkommt. Echte Virtualität könnte höchstens im Zeichen einer kommenden Ära neuer Nachhaltigkeit stehen, welche den Materialeinsatz entkoppelt hat vom Wachstum des Nutzen. Materialität ist bequemer, als sich etwas vorzustellen. Es ist leichter, einen Film anzuschauen, als ein Buch zu lesen - ein Objekt zu erwerben, als einen Gedanken zu formulieren. Es fordert geringeren persönlichen Aufwand, seine gesellschaftliche Besonderheit durch Objekte (früher Sportwagen | heute iPhone - Katzen-Postings . . .) zu signalisieren als beispielsweise durch kultiviertes Auftreten, "Gesprächsführung" oder andere persönliche Eigenschaften, deren Erwerb sich hinzieht.