Dieses Blog durchsuchen

Terrence Malick - der filmende Philosoph

Der Autorenfilmer Terrence Malick war ursprünglich Philosophie-Student, später auch Dozent für Philosophie am Massachusetts Institute of Technology. Malick spricht Deutsch, übersetzte Martin Heideggers Vom Wesen des Grundes (The Essence of Reasons, Evanston, Northwestern University, 1969) und besuchte den damals noch lebenden Heidegger in seiner Schwarzwaldhütte.

Malicks Filme (Badlands, In der Glut des Südens, Der schmale Grat, The New World, Tree of Life usf.) benutzen mondäne Genres ("real crime", Liebesgeschichte, Kriegsfilm . . .), um anhand ihrer Heideggers philosophischen Vorschlag durchzuüben und fruchtbar zu machen. Malick erreicht damit nicht jeden Zuschauer, jene aber, die er erreicht, sind oft "hypnotisiert" von seinen Filmen. Dazu gehören wohl auch die meisten Hollywoodstars. Malicks Filme sind immer sehr prominent besetzt, Song to Song, der gerade (Mai 2017) durch die Kinos huscht, mit Rooney Mara, Michael Fassbender, Ryan Gosling, Natalie Portman, Cate Blanchett und prominenten Musikern in Mini-Rollen (Patti Smith . . .).  Da Malicks Filme kaum Geld einspielen, dürften die Stars wenig bis keine Gage bekommen. Von Sean Penn ist die Äußerung bekannt, Malick brauche ihn nur rufen, und er würde auch "für einen Dollar" am Drehort erscheinen.

Jenen, die Malick "verfallen" sind, haben es die Bedeutungserlebnisse angetan, welche seine Filme vermitteln. Deren Wesen fasst man am besten vermittels der Philosophie Martin Heideggers.

Heidegger war zunächst ein Kritiker all dessen, was uns spontan zur "Philosophie" einfällt: ordentliches Denken in folgerichtigen Formen. Heideggers Projekt war der "Abbau" (was Derrida später "Dekonstruktion" nennt) von allem, was seit Plato gedacht und für stichhaltig befunden wurde. Heidegger verwirft es weniger, als dass er uns darauf hinweist, es hier nicht mit der Hauptsache zu tun zu haben.

Aber was aber ist die Hauptsache, von der uns das philosophische Spekulieren seit Plato laut Heidegger ablenkt? Was ist die Wurzel tief-innig erlebter Bedeutung?

Heidegger prägt für die Quelle echter Bedeutung den Begriff des Seins, das wir uns handelnd erschließen.

Wir kommen nicht in die Welt, beobachtet Heidegger, als nachdenkende, sondern als umtriebige Wesen. Gleich nach der Geburt fangen wir an, unsere Umgebung aufzusaugen - mit einer Munterkeit, die immer beweglicher wird und bestenfalls nie im Leben aufhört. Das Nachdenken setzt auf diesem Nährboden erst später auf, der es daher hervorbringt und mit sich alle Bedeutung. Durch Nachdenken können wir nicht auf das kommen, was zählt oder echt schmeckt, sondern nur, meint Heidegger, indem wir "sind". Darin liegt nicht die Ermunterung, aufzuhören mit dem Denken, sondern nichts Bedeutendes mehr schaffen zu wollen nur im Denken oder kraft seiner. Weil Bedeutung ihren Sitz woanders hat.

Wo findet sie also statt, die Bedeutung? In der "Lichtung" laut Heidegger: wo das Sein sich entpuppt.

Was er damit sagen möchte, erhellt, wenn man kurz überlegt, was Wahrheit ist. Wir haben heute dafür die Entsprechungs-Theorie: Wahr ist, was ich mir vorstelle, dann, wenn die Wirklichkeit es einlöst. Es gibt danach zweierlei: mein inneres Bild sowie das, was außerhalb von diesem besteht. Gibt es keine Übereinstimmung, befinde ich mich im Irrtum. Andernfalls bin ich mich im Besitz der Wahrheit.

Wahrheit wurde aber nicht immer in dieser Weise aufgefasst. Für die Vorsokratiker, zu denen Heidegger (im Kielwasser Nietzsches) zurückfindet, heiß die Wahrheit "aletheia",  so viel wie "Unverborgenheit".

Wenn Sein in die Lichtung kommen, sehen wir etwas "in einem gewissen Licht" und erfahren so unmittelbar "Wahrheit". Was Heidegger damit meint, veranschaulicht vielleicht folgendes Beispiel: Wenn ich einen Ort betrete, nachdem ich 30 Kilometer zu ihm gewandert bin, kommt er mit anders vor, als wenn ich ihn mit dem Auto oder Fahrrad erreiche. Oder auch: Lebt in dem Ort eine Person, in die ich verliebt bin, wirkt er dadurch verzaubert.

Meine Verzauberung in dem Beispiel ist nun für Heidegger nichts Psychologisches, also Persönliches, sondern ein Aspekt der Welt: des Seins, welches sich mir in diesem Momente kundtut. Wenn etwas in die Lichtung tritt, wird es dadurch nicht sachlich-erschöpfend dargestellt, sondern taucht auf, "erblüht" - und tritt danach wieder zurück "in den Wald".

Derselbe Gegenstand kann also unterschiedlich hervortreten, uns bedeutend werden und davon doch niemals erschöpft sein. Das ist Heideggers Lichtung.

Das Sein taucht dort freilich nicht spontan auf, sondern antwortet auf unser Tun (mein "Wandern" zu dem Orte . . .). Nur der rege Mensch belebt die Lichtung und handelt sich solcherart Bedeutung ein - in Momenten des "Aufscheinens" echten Seins.

Terrence Malick will in seinen Filmen hinaus auf die Schaffung von Lichtungen. Etwa arbeitet er zu diesem Zweck an gegen die "eingebürgerte Wahrnehmung", indem er die Kamera in ständiger Bewegung hält, die Orientierung, auch anhand überkommener Erzählmuster, zersetzt, um solcherart Bedeutungserlebnisse anzubahnen.

Seine Hauptfiguren sind umtriebig, nicht immer auf der Oberfläche, aber sie verharren nie. In Song To Song strebt die Texterin Faye ihr Glück an in der Musik-Szene von Austin. Sie wird die Geliebte des Produzenten Cook, lernt durch ihn den Texter BV kennen, dessen Gegenwart ihr Auftrieb gibt als Künstlerin und zu dem sie nach zwei Liebesverwirrungen wieder zurückkehrt, während Cook seine Frau in den Selbstmord trieb.

Das ist ungefähr die Handlung. Sie zerfällt jedoch in ein Kaleidoskop von "Lichtungen", in welchen die Welt, die Faye sich einhandelt, wie in einem Paul-Klee-Gemälde unverstellt und ansehnlich aufleuchtet.

Es würde langweilig, die Momente hier alle zu listen, deswegen als Beispiel nur die Stadt selber, in welcher alles spielt: Austin - die Heimat des Regisseurs Malick. Sie erscheint wie das himmlische Jerusalem. Es ist kritisiert worden, dies sei unrealistisch, Austin sehe ganz anders aus, als Malick und sein Kameramann Lubezki es uns zeigen. Aber es gibt keinen Austin "an sich", sondern nur in der Lichtung. Und eine schöne Seele wie Fayes treibt nun mal mit ihrem Tun ein solches Austin hervor, wie es Song To Song untermalt.

Ist Faye unrealistisch? Macht sie sich oder uns etwas vor? Sie täuscht sich in keinem Moment über das, was sie umgibt. Nur lebt sie in einer anderen Zukunft als z. B. ihr Vater oder ihre Schwester - in der Zunkunft BVs. Und das hat einen Einfluss auf die Antworten, welche das Sein ihr gibt. In der Vorstellung des Philosophen Martin Heidegger und seines Exegeten Terrence Malick.