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DREHBUCHAUTOREN IN DER BREDOUILLE - wo bleibt das deutsche Breaking Bad?

"Breaking Bad, Borgen, Bergdoktor - was können und was dürfen deutsche Autoren?" hieß ein Fachgespräch, zu dem der Verband Deutscher Drehbuchautoren neulich in den Presseclub München geladen hatte, und eine preisgekrönte Kollegin brachte es gen Ende auf den Punkt: von deutschen Autoren könne man nicht erwarten, dass sie auf einmal die Flügel spreizten, nachdem diese für ihren TV-Erfolg so außerordentlich effektiv getrimmt worden seien. - Fernsehdrehbücher werden im Auftrag geschrieben. Ein Autor tritt nicht spontan mit einer Idee an den Sender oder eine Produktionsgesellschaft, sondern bekommt von dort signalisiert, was gesucht wird. Drehbuchschreiben ist etwas für Profis: Arbeit - kein Vergnügen! Drehbuchschreiben kann nicht verzweifelt oder zuchtlos erledigt werden. Kein Autor steigert sich in ein Drehbuch, einem guten Drehbuch fehlt die Entäußerung. Es ist vielmehr perfekt gebaut. Beim Durchblättern solcher Drehbücher entspinnen sich vorm inneren Augen des Lesers Ereignisse, greifen Bilder und Verläufe geschmeidig ineinander, werden relevante Gegenstände, Themen behandelt in solch verschwenderischer Fülle, dass einen die Furcht beschleicht, es könne einmal doch der Stoff ausgehen und das Fernsehen seine Produktion einstellen müssen.
Aber dann tauchen schon wieder neue Geschichten auf, so unmissverständlich wie unterhaltsam und befriedigend gelöst. Und auch sie sind sorgfältig ausgearbeitet, poliert. - Und sie fesseln nicht. Virtuosität nimmt nie gefangen. - Was stark bewegen würde, weil es auch beschämt, ist nichts fürs Fernsehen. Seine Aufgabe besteht nicht darin, einer mächtigen Geste zum Ausdruck zu verhelfen, sondern zu gefallen, möglichst vielen, und niemand zu verschrecken. Dafür werden Drehbuchautoren in Dienst genommen. Und sollen sich nicht in ihren Büchern zu erkennen geben auf die Gefahr hin, einen Teil der Zuschauer auf ihre Seite zu ziehen, den anderen aber zu vergraulen. Statt dessen sollen sie Flüssigkeit und Witz entwickeln sowie eine unterschwellige Pracht, auf den Punkt gebracht durch Momente der Eindringlichkeit und Reinheit. Wer kann, wer darf da etwas gegen haben und statt dessen irgendeine persönliche Religion randalieren lassen, die jede Anmut stark und roh machte und jene, welche ihr nicht verfallen, in Schreck versetzte? Freilich könnte so etwas einmal zufällig ankommen. Aber kann man eine Familie von Zufällen ernähren? - Deswegen riskiert das Fernsehen keine Unfälle, geht keine Risiken ein. Seine Produkte weisen keine Brüche in der Mitte auf. Es ist niemals fragmentarisch. Seine Werke sind nicht verschmutzt von den unordentlichen Fingerabdrücken derer, die sie zu sehr liebten. Fernsehen ist nie seltsam, nie grotesk, nie fremdartig oder übertrieben oder sublim. Dafür liefert es eine professionelle Hochglanzbeschichtung und die weichen, runden, regelmäßigen Formen von Gegenständen, die in großer Menge hergestellt werden, um sich zu verkaufen. - Autoren, die sich diesem Wesen angeähnelt haben, um von ihm angenommen und genährt zu werden, können sich freilich nicht mehr, selbst wenn sie es wollten, ein „deutsches Breaking Bad“ aus den Fingern saugen.