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Vom Neid

VOM NEID

Zwei menschliche Laster, die mich wenig plagen: Neid und Depression. Ich eigne mich nicht für letztere. Das ist kein Verdienst, sondern Zufall, ein Würfelung der Natur, die in meinem Fall eine Seele ohne viel Traurigkeit zustandegebracht hat.

Meine depressiven Freunde haben es oft weiter im Leben gebracht. Die Depressiven haben in der Regel einen besseren Blick für die Wirklichkeit, ihre Erfordernisse. Vielleicht sind sie deswegen depressiv. Ihnen gegenüber stehen die Hysteriker, unter denen ich mich leichter wiederfinde, mit ihren übertriebenen Geschichten.

Auch der Neid ist mir fremd. Wenn jemand einen Erfolg hat, freut es mich eher. In der Regel stellt er dabei etwas Schönes her auch zu meinem Ergötzen.

Ich glaube nicht, dass die Menschen ihren Erfolg verdienen, sondern in die Wiege gelegt bekamen. Wenn ich die Kinder beobachte - neulich z. B. im Kinderladen meines Neffen in Berlin - sehe sie vor mir mit 60 Jahren. Die Typen sind alle zu erkennen. Einige kommen groß heraus, die meisten leben das übliche Mittel-Leben. Und könnten zufrieden werden, wenn ihnen nicht die Anforderung in den Weg kommt, dass alle Menschen gleich sein müssen, die Hauptquelle des Neides.

Dadurch, dass man heute nur so wenig Kinder bekommt, sinken die Chancen, dass sich eines darunter befindet, das es drauf hat. Und dann wird alle Erziehung der Welt auf ein minderbegabtes Wesen verwandt, um etwas aus ihm zu machen, das in ihm nun mal nicht steckt. Natürlich lässt sich jedes Niveau etwas heben, aber um welchen Preis!

Es wäre wahrscheinlich besser, ein paar Kinder mehr zu haben und somit die Chancen zu erhöhen, dass ein begabtes zur Welt kommt. Um dieses muss man sich dann so wenig kümmern wie um seine minderbegabten Geschwister, außer dass man ihnen Spielraum gibt.

Das war das Schöne an meiner Kindheit: dass sich kein Erwachsener um uns gekümmert hatte. Es gab einfach zu viele Kinder. Auf uns einzelnen lastete nicht derselbe Wert. Man musste lernen, miteinander zurechtzukommen ohne die Vermittlung irgendwelcher Schutzpatrone.

Der hohe Wert, den heute das einzelne Kind zumindest in der Fantasie seiner Eltern hat, kann das Leben der minderbemittelten - also der Mehrheit - ruinieren, indem Dinge von ihnen verlangt werden, die früher außer Frage gestanden hätten. Jedes Kind bekommt dadurch eingebleut, etwas besonderes zu sein. Ohne es in den meisten Fällen einlösen zu können. Auf den naheliegenden Gedanken, vielleicht nichts besonderes zu sein, kommt es nicht mehr. Vielmehr glaubt es später, irgendwie "betrogen" zu werden - um den ihm wie jedem Menschen zukommenden Status und Gewinn.

Hier liegt die Quelle des endemischen Neides: in der gut gemeinten "emanzipatorischen" Erziehung zum Wunderkind im Falle jedes heute Geborenen.

Ich habe gestern eine Untersuchung gelesen: dass es künftig kaum noch bezahltes Beschäftigung geben wird. Ganz wenige teilen sie dann unter sich und erarbeiten den Wohlstand einer sonst rentenverzehrenden Gesellschaft. Diese besteht aus ihren minderbegabten Geschwistern, die alle zur Welt kommen mussten, damit auch jene herausgewürfelt werden konnten, die taugen, um die Mehrheit zu füttern. Und ist es etwa nicht so in fast jeder größeren Familie?

In Platos Staat gibt es dazu jene berühmte Stelle "Die Lüge des Sokrates":

"Ihr seid alle Brüder", soll den Menschen erzählt werden, "den geborenen Herrschern unter euch aber ist wertvolles Gold beigemischt, den Kadern Silber, den übrigen Eisen und Erz. Meist werdet ihr euch ähnliche Kinder erzeugen, manchmal aber auch aus Gold einen silbernen Nachkommen, aus Silber einen eisernen und so fort. Immer sollen deswegen die Herrscher auf ihre Nachkommen achten: falls einer eisenhaltig ward, gehört er unters Volk. Wird aus dessen Mitte aber ein gold- oder silberhaltiger geboren, gehört er unter die Kader oder Herrscher." Denn es sei wissenschaftlich erwiesen, dass ein Gemeinwesen untergehe, wenn sich Eisen und Erz seiner bemächtigen. - Wird irgendjemand diese Lüge glauben?