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WILLE nach Wittgenstein



Über sein ganzes Spätwerk hinweg liegt Wittgenstein daran, näher zu bestimmen, was das menschliche Wollen ausmacht. Er stellt dafür keine Theorie auf, sondern folgt der Verwendung des Wortes "Wille" in unserer Alltagssprache.

Es kann einen Leser rasend machen, dass er infolgedessen niemals einmal sagt: "Der Wille ist ... " oder "Wollen besteht in . . ."

Aber Wittgenstein will, dass man nicht nur liest, sondern selber denkt und - wie er - nie damit fertig wird, was seinen Textes etwas sehr Frustrierendes zugleich Beschwingendes (Nomadisches) gibt.

Wie sehen solche sprachlichen Untersuchungen aus?

Etwa: Man kann "wollen" mit "wünschen" vergleichen und feststellen, worin sich die beiden unterscheiden. "Wollen" lässt sich z. B. versuchen, es kann mit anderen Worten scheitern - es wäre andererseits absurd zu versuchen, sich etwas zu wünschen, denn Wünschen gelingt immer = wenn nicht wahr wurde, was man sich wünschte, durchstreicht das nicht den Inhalt des Wünschens, der infolgedessen das Wollen verursachen kann, da er unabhängig von ihm besteht (nur was voneinander unabhängig ist, kann in eine kausale Beziehung treten) usf.

Was den Willen angeht, können wir als Menschen unwillkürlich handeln ("Das hab' ich nicht gewollt!") oder willentlich. Der Unterschied hier aber liegt nicht in einem besonderen Bestandteil des Wollens, der hinzukommt oder wegfällt, um ein Tun un/willkürlich zu machen. Eine Handlung ist willentlich nicht dadurch, dass sie etwas ausführt, das sich - wie z. B. ein Wunsch oder eine Absicht - unabhängig von ihr beschreiben liesse. Es ist möglich, dass mein Körper meinen Willen ignoriert, z. B. zu schwach ist, um auszuführen, wozu ich mich anschickte, nicht aber kann es mir mißlingen, etwas zu wollen.

Was unterscheidet folglich das Willkürliche vom Unwillkürlichen?

Wie immer bei Wittgenstein ist es schließlich der Kontext.

Um zu wollen, muss man sich in einer Umgebung befinden, in welcher Befehle empfangen und verweigert werden können sowie die Entscheidung möglich ist, etwas zu tun oder zu lassen, für dessen Folgen man zur Verantwortung gezogen, also schuldig werden kann. Von ungewollten Bewegungen lassen sich die gewollten in dieser Umgebung durch eine gewisse "Wackeligkeit" unterscheiden, die ein Merkmal des freien Willens ist.

Wittgenstein ist von allen Philosophen, die ich kenne, der immanenteste, weswegen seine Klärung auf den ersten Blick merkwürdig witzlos wirken. Aber sie haben es, wenn man die Methode nur durchhält, in sich.

Kann es z. B. neben der "künstlichen Intelligenz" auch einen "künstlichen Willen" geben = können Roboter sinnvoll handeln? Möglich wäre das nur, wenn sie Befehle verweigen und für die Folgen ihres Handelns zur Verantwortung gezogen werden könnten.

Was aber wäre ein "schuldiger Roboter"?

Was ist überhaupt - "Schuld"? Die Erwartung des Eintritts von etwas Unangenehmem, würde ich mal sagen.

Aber kann ein Roboter befürchten, dass ihm etwas angetan (z. B. sein Körper beeinträchtigt, verstümmelt oder weggesperrt) wird?

Wenn es absurd ist, dass Roboter schuldig würden - ist es dann nicht auch absurd anzunehmen, sie könnten "denken"?

So ungefähr gehen die philosophischen Untersuchungen Wittgensteins: als Betrachtung der Regeln unserer Sprache, ihrer Grammatik ("Grammatik" heißt immer, dass man etwas tun kann).

Die Sprache ist für Wittgenstein unhintergehbar, in ihr ruht alles, was sinnvoll und bedeutend ist. Deswegen reicht es, der Sprache - ihrer Grammatik - nachzugehen, um jederlei Verwirrung auf den Grund zu kommen.

Aber ist Sprache nicht nur Vergenwärtigung oder Vehikel für etwas Grundlegendeses? Kann man vermittels Sprache nicht lügen, Täuschungen stiften und stabilisieren?

Wittgenstein weist darauf hin, dass man Lügen erst lernen muss, Lügen ist eine Weiterung, ein Anbau der Sprache. Nur wer eine ganze Sprache beherrscht, kann jemand anderen, der sie ebenso beherrscht, belügen oder täuschen. Die Sicherheit geht jeder Skepsis voraus, da letztere sonst keinen Inhalt hätte.

Was macht die aber Sprache aus, die allem zugrunde liegt? Wittgenstein verwendet dafür das Sinnbild des "Sprachspiels". Sprachspiele sind die Bausteine, etwas Elementareres gibt es nicht. Sie bestehen - letztlich - in spontanen Reaktionen von Menschen aufeinander, wurzeln also in Natur und Wirklichkeit, welche sie nicht deuten, sondern ausmachen. Es ist nicht möglich, dass die Sprache solcherart auf täuschenden Fundamenten ruht oder irgendetwas unberücksichtigt liesse. Es sei denn man würde den Satz für sinnvoll halten, ein Baum könnte deswegen nichts Eigentliches sein, weil es auch Flüsse oder Berge gäbe, die eben keine Bäume seien und diesen dadurch suspekt machten.