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Walking Dead

Krankheit zum Tode heißt das merkwürdigste Buche Kierkegaards. Es beginnt mit folgendem verschachtelten Abschnitt:


„Der Mensch ist Geist. Aber was ist Geist? Geist ist das Selbst. Aber was ist das Selbst? Das Selbst ist ein Verhältnis, das sich zu sich selbst verhält, oder ist das am Verhältnis, dass das Verhältnis sich zu sich selbst verhält; das Selbst ist nicht das Verhältnis, sondern dass das Verhältnis sich zu sich selbst verhält. Der Mensch ist eine Synthese von Unendlichkeit und Endlichkeit, von Zeitlichem und Ewigem, von Freiheit und Notwendigkeit, kurz, eine Synthese.“


Der Stil soll, heißt es, Hegel parodieren, also witzig sein. Was aber wird - Ironie beiseite - gesagt?


Dass die menschliche Lage Aussichtslosigkeit ist, also kein Psychologe uns heilen kann, indem unsere Seele besteht im Innesein des Spannungszustands zwischen Unendlichkeit|Endlichkeit, Zeitlichkeit|Ewigkeit, Freiheit|Notwendigkeit u.ä.m.


Als ob ich kraft eben dessen existiere, was den Einklang meiner Eltern hintertreibt - an einer Strecke zwischen zwei unversöhnlichen  Orten, die ich nie erreiche: dass ich eigentlich diese Strecke b i n. Kierkegaard nennt dies Verhältnis, welches ein Seelenwesen ausmacht, wenn ich ihn recht verstehe, Verzweiflung.


Sünde, also die Verscherzung eines Lebens, bestünde dann im Abweisen der - von Gott auferlegten - Zumutung, sich verzweifelnd weder zusammenzubringen noch abtun zu können.


Nicht zu retten aber sind jene, die sich der Spannung, die sie ausmacht, gar nicht bewusst sind. Sie verfügen infolgedessen über keine Seele oder Persönlichkeit, bestehen aus "Smileys und Reposts".


Früher war das große theologische Problem der Ungläubige, heute ist es der Untote, künstlich Intelligente.


Es gibt dazu eine merkwürdig hellsichtige Stelle in Dantes Göttlicher Komödie. Die Hauptfigur hat sich verirrt und wird von ihrem Lieblingsdichter Vergil an die Hand genommen, um durch Hölle und Fegefeuer in den Himmel zu gelangen. Sie betreten die Hölle und als erstes sehen sie folgendes:


Dort hob Geächz, Geschrei und Klagen an,
Laut durch die sternenlose Luft ertönend,
So daß ich selber weinte, da’s begann.


Verschiedne Sprachen, Worte, gräßlich dröhnend,
Handschläge, Klänge heiseren Geschreis,
Die Wut, aufkreischend, und der Schmerz, erstöhnend –


Dies alles wogte tosend stets, als sei’s
Im Wirbel Sand, durch Lüfte, die zu schwärzen
Es keiner Nacht bedarf, im ew’gen Kreis.


Und, ich vom Wahn umstrickt und bang im Herzen,
Sprach: Meister, welch Geschrei, das sich erhebt?
Wer ist doch hier so ganz besiegt von Schmerzen?


Und er: "Der Klang, der durch die Lüfte bebt,
Kommt von den JammerseeIen jener Wesen,
Die ohne Schimpf und ohne Lob gelebt.


Gemischt find die Nicht-Guten und Nicht-Bösen
Den Engeln, die nicht Gott getreu im Strauß,
Auch Meutrer nicht und nur für sich gewesen.


Die Himmel trieben sie als Mißzier aus,
Und da durch sie der Sünder Stolz erstünde,
Nimmt sie nicht ein der tiefen Hölle Graus."


Ich drauf: Was füllt ihr Wehlaut diese Gründe?
Was ist das Leiden, das so hart sie drückt?
Und er: "Vernimm, was ich dir kurz verkünde.


Des Todes Hoffnung ist dem Volk entrückt.
Im blinden Leben, trüb und immer trüber,
Scheint ihrem Neid jed’ andres Los beglückt.


Sie kamen lautlos aus der Welt herüber,
Von Recht und Gnade werden sie verschmäht.
Doch still von ihnen – Schau’ und geh vorüber."


Die Stelle beschreibt jenseits von Himmel und Hölle einen Ort, wo jene sich aufhalten, die "keine Todeshoffnung" haben, indem sie "ohne Schimpf und ohne Lob" gelebt. Selbst die Hölle weiß nichts mit ihnen anzufangen und weist sie ab.

Und sind das nicht die "Walking Dead", die heimlichen Hauptfiguren jener Serie, deren Zuschauerzahlen selbst GoTs in den Schatten stellen, weil sie womöglich treffende die Welt wiedergeben, in der wir gerade leben?