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Deleuze

Was ich zu Deleuze zu sagen hätte, leite ich mal aus der Arbeitswerttheorie ab, an welcher er ja ausdrücklich - in dem Lebenssummen-Zitat - festhält. Hier steht er nicht auf eigenen Beinen, sondern auf den Schultern Karl Marx', der wiederum in der Tradition der Aufklärung verharrt. Die Arbeitswerttheorie behauptet, dass die Quelle des Wertes einer Ware ausschließlich rührt aus der Arbeit eines Menschen, der ihr gegenüber lebt - nicht also etwa eines Toten, der z. B. eine Maschine gebaut oder erfunden hat, oder eines Tieres, einer Naturkraft; die leisten alle keine Arbeit im Sinne der Arbeitswerttheorie. Das sagt, weil es Marx sagt, Deleuze, und davon macht er keine Abstriche, im Gegenteil. Weder Tiere noch tote Menschen, noch Naturkräfte können infolgedessen ausgebeutet werden, der lebendige Arbeiter alleine hat ein Anrecht auf die Frucht seiner Arbeit. Warum ein lebendiger Mensch ein Anrecht auf die Frucht seiner Arbeit hat, wird nicht begründet, sondern gesetzt, ist also ein Dogma. Das Dogma der Kunstfertigkeit des Menschen. Weder Marx noch ihm zufolge Deleuze haben dieses Dogma - dass wir uns etwas aneignen, indem wir es herstellen - geschaffen. Vielmehr hat es christliche Wurzeln: Gott hat uns als Ausgabe seiner selbst geschaffen, welche dieselben Anrechte an ihren Produkten hat wie er auf die Welt. Die Aufklärung, in ihrem Kielwasser Marx und seine Epigonen haben diesen Gedanken nur verweltlicht, seitdem firmiert er unter "Individualismus". Warum, könnte man gleich einmal ketzerisch fragen, erwirbt jemand ein Produkt durch seine Arbeit. Weil diese einem selbst gehört? Folglich gehört einem etwas, wenn man sich unter es mischt? Der Besitz sickert dann gewissermaßen in den Rest? Warum bedeutet die Mischung meines Besitzes in etwas anderes nicht den Verlust, dessen, was ich besitze? Wieso gewinne ich dadurch, was ich nicht besaß? Eignen sich die radioaktiven Kühlwässer von Fukushima den Pazifik an, indem sie ihn durchdringen? Der große Ausbuchstabierer des Individuums war Descartes, und es hat kein französischer Philosoph nachher sich aus diesem Schatten lösen können, sondern liefert immer nur wieder Parodien des dogmatischen "schöpferischen Individualismus", so wahrscheinlich auch Deleuze mit seiner kreativen Auffassung von Philosophie, die als "Produktion von Begriffen" propagiert wird. Man kann die Sache mit der Welt und des Menschen Rolle in ihr freilich auch anders sehen. Ich will hier nicht wieder mit Wittgenstein kommen, sondern zitiere Chief Seattle: "This we know: the earth does not belong to man, man belongs to the earth. All things are connected like the blood that unites us all. Man did not weave the web of life, he is merely a strand in it. Whatever he does to the web, he does to himself." Eine ganz andere Sicht der Welt und unserer Stellung in ihr, oder? Manchmal spürt man, wie Deleuze dort hinreicht, aber sein Marxismus, also verkapptes Christentum, hält ihn zurück.