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SIND DEKONSTRUKTIVISMUS UND GENDER-THEORIE MODERNDE ERSCHEINUNGEN DES BILDERSTURMS?

Der Bilderstreit geht zurück auf das Alttestament-Verbot, Gott sich leibhaftig vorzustellen. Die Kirche meinte schließlich, Gott könne abgebildet werden: indem er Mensch wurde. Daraus entwickelte sich die Auffassung der Welt als Offenbarung Gottes - einer der letzten Punkte, in dem wirklich alle Christen sich einig waren: Bilder haben ihren Platz in der Kirche, weil Gott sich in dem zeigt, was unsere Sinne erreicht, folglich auch in dessen Wiedergabe.

Ist die Postmoderne, indem sie die Vorstellung von etwas Wirklichem, somit Abbildbaren zersetzt, eine Weiterung des Alten Testaments? Geht beispielsweise die Gender-Theorie zurück auf den Bilderstreit, indem sie einen notwendigen Zusammenhang zwischen Vorstellung und Gegebenheiten bestreitet?

Der sinnlich wahrnehmbare Teil eines Menschen offenbart, sagt die Gender-Theorie, nichts Seelisches. Darin gleicht sie der gnostischen Häresie, welche das Jenseits radikal unterscheidet vom Diesseits und keinen Zusammenhang sieht zwischen den beiden. Weiblichkeit oder Männlichkeit wären demzufolge keine Gegebenheiten, sondern Vorstellungen, also Willenssache. Wissenschaftler, welche den menschlichen Körper betrachten, um Geschlechtsunterschiede festzustellen, sind biologische Essentialisten, eine Form des intellektuellen Faschismus.

Die Postmoderne stellt fest, dass alle Formen gleichwertig sind und daher jede mit demselben Recht in Erscheinung treten kann. Das überkommene Christentum nimmt dagegen an, Gott zeige sich in bestimmten Gegebenheiten oder Verläufen der Welt, die dadurch liturgische Bewandtnis haben. (So wie nicht alle Bewegungen als Tanz qualifizieren, dieser aber trotzdem nicht ohne Bewegungen auskommt).

Man kann die Postmoderne als „neue Gnosis“ bezeichnen: wir sind Geister, unsere Körper zählen nicht, können jederzeit unserem Wollen angepasst werden.

Dies entspricht nicht der christlichen Vorstellung vom Wesen einer Person, die sich eher im Handel mit Reliquien zeigt. Der christliche Heilige muss wie Gott einen Körper gehabt haben und von diesem bestimmt gewesen sein.

Freilich lässt sich jeder Ausschnitt der Welt in unendlich verschiedener Weise deuten. Was je vorherrscht, gibt immer weitere Möglichkeiten ein. Der Zweck bestimmt die Bedeutung. Bricht ein Feuer aus in meiner Wohnung, welche Gegenstände versuche ich zu retten? Deren Bewandtnis entsteht erst durch die Flammen.

Nicht wenige postmoderne Autoren blicken zurück auf eine Abrichtung als Mediävisten und waren daher vertraut mit der mittelalterlichen Angewohnheit, Bibelstellen vielfältig auszulegen = wie diese einerseits nur Voraussetzungen beschreiben, andererseits engelhaft sind, dann wieder eine gesellschaftliche oder persönliche Bewandtnis haben usf. In jeden dieser verschiedenen Bereiche entfaltet sich das Gefüge des Textes in besonderer Weise. Die Postmoderne stellt diese Vielfalt der Bedeutungen heraus, sieht aber ab Sinn ihrer Anwendung.

Wenn wir etwas sagen, ist damit immer auch sein Gegenteil verworfen - und dadurch impliziert. Derrida vor allem hebt das mit jeder Äußerung Unausgesprochene hervor, welches er auf das Niveau des Gesagten hebt. Wodurch die Grenzbestimmung zu dem wird, was sie einfasst, und letzteres wiederum zu dessen Umriss. In derselben Weise lässt sich im Übrigen jeder Text Derridas abbauen; er besagt dann das genaue Gegenteil seiner Oberfläche, holt das Überkommene wieder ins Sein = der post-post-moderne Vormarsch vor allen der heutigen Internet-Clowns.